Zum 75. Geburtstag des lettischen Komponisten Peteris Vasks am 16. April veröffentlicht BR Klassik ein rein für Streichorchester geschriebenes Programm, aufgenommen im Juni und Oktober/November 2020 in München unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln, die wegen der COVID-19-Pandemie erlassen worden waren, wie der Sender betont.
Peteris Vasks ist ein musikalischer Entwicklungskritiker, und die Richtung, in die unsere Welt driftet, macht ihm Sorgen, weil sie mit seinen ethischen Grundsätzen und spirituellen Überzeugungen nicht vereinbar ist. Im Pizzicato-Interview sagt er: « Es ist die höchste Zeit, den wahnsinnigen Lauf nach immer wieder neuem Spielzeug, neuen Sachen und Vergnügungen zu hemmen. Man müsste Zeit finden, unsere Blicke in die Richtung sternklarer Unendlichkeit zu lenken und sich zu fragen, warum wir zu dieser Welt gekommen sind und ob wir es gewollt haben, sie ein wenig besser zu machen. » Diese spirituelle Dimension findet sich quasi in allen Kompositionen des Letten und auch in jenen, die wir auf dieser CD zu hören bekommen.
Ivan Repusic dirigiert die Musica Serena (2015) sehr langsam, wohl um das ‘serena’ zu betonen. Die Musik wird dadurch schmerzlich schön und bringt den weiten dynamischen Bogen, vom sanften Andante cantabile bis zum zentralen Fortissimo des Maestoso sehr gut zum Ausdruck, um im Pianissimo wieder zur Ruhe zu kommen. Serena beinhaltet tatsächlich bei Vasks nicht nur Ruhe, denn wie der Pressetext zu dieser Veröffentlichung sagt, wäre die Schönheit, die der lettische Komponist in seinen Werken beschwört, « nicht möglich ohne die Erfahrung von Gewalt und Grausamkeit in dieser Welt. »
Nun ist die Dramatik bei Vasks etwas sehr Relatives und in einer Musik, die, oberflächlich gesehen, von Melancholie und Trauer geprägt wird, findet man sie vielleicht eher in der Tiefe als in der Lautstärke. Das aufzuzeigen gelingt den Streichern des Münchner Rundfunkorchesters unter der inspirierten Leitung ihres Chefdirigenten Ivan Repusic in einem wunderbar transparenten und homogenen Spiel voller emotionaler Einfühlungskraft.
Musica dolorosa (1983) ist ein Lamento für die zu früh verstorbene Schwester des Komponisten. Es ist ein Werk, das sich, aufs Ganze gesehen, vom noch in zärtlichen Gedanken schwelgenden Anfang zu Trauer und Hoffnungslosigkeit steigert. Diese Steigerung realisiert Repusic spannungsvoll und fast aggressiv, um das tiefe innere Drama, die unversöhnlichen Kräfte der Musik deutlich werden zu lassen.
Auch Musica Appassionata (2002) führt uns in eine tiefe und reiche Gefühlswelt, die vom Münchner Rundfunkorchester in allen Facetten bloßgelegt wird. Großartig aufgebaut, wächst die aufgewühlte Musik so auf, dass aus dieser Interpretation die Ausbrüche des Dramatischen und des Chaotischen (wohl als Reminiszenzen an das XX. Jahrhundert) packend dargestellt werden.
Vasks’ Zweites Konzert für Violoncello und Streicher mit dem Beinamen Klatbutne (Präsenz) stammt aus den Jahren 2011/2012 und wurde von Sol Gabetta und der Amsterdam Sinfonietta uraufgeführt. Der Solist in dieser Aufnahme ist der Cellist Uladzimir Sinkevich, der seit 2011 Solocellist des Münchner Rundfunkorchesters ist. Das im finalen Adagio erklingende Wiegenlied wird von der Sopranistin Anna-Maria Palii interpretiert, seit 2016 Mitglied im Chor des Bayerischen Rundfunks.
Repusic dirigiert sehr leidenschaftlich, mit einer rauschhaft intensiven Steigerung, die den ruhigen Schluss vorbereitet. Das ergibt, zusammen mit dem sehr kantablen, wunderbaren Spiel des Solisten und dem lichten Gesang von Anna-Maria Palii eine geschlossene aussagekräftige und packende Interpretation.
To mark the 75th birthday of Latvian composer Peteris Vasks on April 16, BR Klassik is releasing a program written purely for string orchestra, recorded in June and October/November 2020 in Munich in compliance with the distance and hygiene rules imposed because of the COVID-19 pandemic, the station points out.
Peteris Vasks is a musical critic of development, and the direction in which our world is drifting worries him because it is incompatible with his ethical principles and spiritual beliefs. In the Pizzicato interview he says: « It is high time to inhibit the mad run after always new toys, new things and pleasures. It would be necessary to find time to direct our gaze in the direction of starry infinity and ask ourselves why we came to this world and whether we willed it to be a little better. » This spiritual dimension can be found in virtually all of the Latvian’s compositions and also in those we get to hear on this CD.
Ivan Repusic conducts Musica Serena (2015) very slowly, probably to emphasize the ‘serena’. This makes the music achingly beautiful and brings out the wide dynamic arc, from the gentle andante cantabile to the central fortissimo of the maestoso very well, coming to rest again in the pianissimo. Serena, in fact, does not contain only tranquility, since in Vasks’s music, as the press text for this release says, the beauty that the Latvian composer evokes in his works « would not be possible without the experience of violence and cruelty in this world. »
Now drama is something very relative in Vasks’ work, and in his music that, superficially, is characterized by melancholy and sadness, it may be found more in depth than in volume. Under the inspired direction of their principal conductor Ivan Repusic, the strings of the Munich Radio Orchestra succeed in demonstrating this in wonderfully transparent and homogeneous playing full of emotional empathy.
Musica dolorosa (1983) is a lament for the composer’s sister who died too soon. It is a work that, taken as a whole, rises from the beginning, still wallowing in tender thoughts, to sadness and hopelessness. Repusic realizes this in a tense and almost aggressive way, in order to let the deep inner drama, the irreconcilable forces of the music become clear.
Musica Appassionata (2002) also takes us into a deep and rich emotional world, exposed in all its facets by Münchner Rundfunkorchester. Magnificently constructed, the agitated music grows in such a way that from this interpretation the outbursts of the dramatic and the chaotic (probably as reminiscences of the XX century) are grippingly presented.
Vasks’ Second Concerto for Violoncello and Strings, Klatbutne (Presence), ws composed in 2011/2012 and premiered by Sol Gabetta and the Amsterdam Sinfonietta. The soloist in this recording is cellist Uladzimir Sinkevich, who has been principal cellist of the Munich Radio Orchestra since 2011. The lullaby heard in the final Adagio is sung by soprano Anna-Maria Palii, a member of the Bavarian Radio Choir since 2016.
Repusic conducts very passionately with a rapturously intense climax that prepares the quiet conclusion. This, together with the very cantabile, wonderful playing of the soloist and the light singing of Anna-Maria Palii, results in a cohesive meaningful and gripping interpretation.
Peteris Vasks: Ich hoffe, dass die Menschen mehr in sich hineinschauen