Die Musik von Thomas Larcher ist in ihrer Bandbreite der Ausdrucksmittel kaum zu fassen. Kammermusikalisch innig wehmütige anklingende romantische Natur findet sich neben pulsierenden Rhythmen und emporfahrenden Äußerungen des großen Orchesterapparates. Das ist gepaart mit kaum beherrschbaren Anforderungen an die spieltechnische Umsetzung. Doch bleibt seine Musik erkennbar strukturell durchscheinend und atmet eine Natürlichkeit wie aus persönlichen Erlebnissen.
Sein ursprünglich als ein Konzert für Orchester geplantes, nun als 2. Symphonie vollendetes Kenotaph schuf er unter dem Eindruck zahlreicher im Mittelmeer ertrunkener Flüchtlinge. Vom markant einsetzenden Beginn bis zum erlöschenden Schluss entwickelt Larcher eine vielgestaltige Szenerie, die immer neue Aspekte anklingen lässt, wie das Meer sich in immer anderen Wellenbewegungen darstellt. Dass dabei größere Bewegungen neben vielen kleinen gebrochenen aufwallen, schafft ein nie eintöniges Spektrum, das modern klingt und trotzdem symbiotisch auch historisch Gewachsenes durchscheinen lässt. Ob diese Musik, die auch zynisch und brutal ist, bildhaft beschreibt oder stattdessen drängende Fragen stellt, wie Larcher es selber sieht, ist im Hinblick auf ihre starke Aussage und Klangfrische, die auch aktuell angesagte Hörerwartungen befriedigt, weniger bedeutsam.
Das zweite Werk auf dieser CD, Nacht der Verlorenen, für Bariton und großes Orchester, bezieht sich auf das Fragment gebliebene Gedicht von Ingeborg Bachmann. Auch hier ist von schmerzlicher Trennung die Rede, sicherlich auf einer persönlicheren Ebene. Der noch ungeschliffene Text machte den Reiz für Larcher aus. Aus der Kammermusik kommend hat Larcher erst spät zu großen Besetzungen gefunden, was ihm nun aber in der Vereinbarkeit von Singstimme und Instrumentarium hilft. Das hat er genutzt, um die Stimme eher erzählen zu bringen. Dabei gewinnt sie im Laufe des Werkes gegenüber dem Orchester immer mehr an Platz und Statur.
André Schuen modelliert fein artikuliert und daraus resultierend großer Textverständlichkeit, so wie Larcher es sich wünscht, seinen erzählenden Gesang. Seine kräftige Stimme besitzt ein großes Volumen, das auch in diesem Werk trägt und trotzdem natürlich wirkt. Die brüchigen Texte setzt er sehr flexibel um, was ihm entspannt gelingt.
Die finnische Musikszene bringt nicht nur immer wieder außerordentliche Dirigenten hervor, sondern hat auch bei den Orchestern einen hörbaren Qualitätssprung gemacht. So ist das Radioorchester, hier von Hannu Lintu geleitet, diesen Werken mehr als gewachsen. Die reichhaltige Besetzung wird zwar auch kraftvoll inszeniert, bleibt aber immer transparent und strukturiert. Neben dem reichhaltigen Schlagzeugapparat können auch alle anderen Orchestergruppen überzeugen. Lintu zeigt den Weg durch die Wogen der Partituren mit ebenso sicherer auch Emotionen aufrührender Hand.
Thomas Larcher’s music is hard to grasp in its range of expressive means. Chamber music of an intimately wistful, romantic nature is found alongside pulsating rhythms and soaring expressions of the large orchestral apparatus. Technically it is very challenging. Yet his music remains structurally translucent and breathes a naturalness as if from personal experiences.
He created his Cenotaph, originally planned as a concerto for orchestra and now completed as a Second symphony, under the impression of numerous refugees who drowned in the Mediterranean. From the striking beginning to the fading end, Larcher develops a multifaceted scenery that always hints at new aspects of how the sea presents itself in ever-changing wave movements. The fact that larger movements surge up next to many smaller broken ones creates a never monotonous spectrum that sounds modern and yet symbiotically also allows historically grown things to shine through. Whether this music, which is also cynical and brutal, describes pictorially or instead poses urgent questions, as Larcher himself sees it, is less significant in view of its strong statement and freshness of sound, which also satisfies currently popular listening expectations.
The second work on this CD, Nacht der Verlorenen, for baritone and large orchestra, refers to the poem by Ingeborg Bachmann that has remained a fragment. Here, too, there is talk of painful separation, certainly on a more personal level. The still unpolished text was what made it so appealing to Larcher. Coming from chamber music, Larcher only found his way to large ensembles late in life, but this now helps him in the compatibility of singing voice and instruments. He has used this to make the voice more narrative. In the course of the work, it gains more and more space and stature in relation to the orchestra.
André Schuen models his narrative singing in a finely articulated manner, with a great textual comprehensibility, just as Larcher would wish. His powerful voice has a great volume and still seems natural. He translates the fragile lyrics very flexibly, relaxed manner.
The Finnish music scene not only produces extraordinary conductors time and again, but has also made an audible leap in the quality of its orchestras. The Radio Orchestra, conducted here by Hannu Lintu, is more than equal to these works. The rich instrumentation is also powerfully orchestrated, but always remains transparent and structured. In addition to the rich percussion apparatus, all the other orchestral groups are also convincing. Lintu shows the way through the waves of the scores with an equally sure hand that stirs up emotions.