Wolfgang Rihm: Fremde Szenen I–III - Versuche über Klaviertrio + Antlitz für Violine und Klavier; Irvine Arditti, Violine), Gianluca Pirisi (Cello), Roberta Pandolfi (Klavier); # Odracek ODRCD456; Aufnahme 10.2023, Veröffentlichung 08.11.2024 (55'04) – Rezension von Uwe Krusch ** (For English please scroll down)

Das Zitat von Wolfgang Rihm « die Musik müsse voller Emotion, die Emotion aber voller Komplexität sein”, mag man gerade bei den Fremden Szenen verstehen, da hier die Musik von Robert Schumann mit der von Rihm selber verbunden wird. Damit wird der Romantik Zugerechnetes mit der modernen Textur des 20. Jahrhunderts verbunden und damit eine mit dem Attribut emotional geschmückte Epoche mit der komplexeren Tonsprache von heute.

Antlitz für Violine und Klavier bietet auf einem durchgehenden Resonanzraum des Klaviers, der durch das fixierte Tonhaltepedal erreicht wird, diverse zurückgenommene Strichsetzungen der Violine, die mit ungewöhnlichen Techniken gespielt wird. Dadurch wird eine Art Rahmen geschaffen, in dem wie bei einer Zeichnung zart differenziert agiert werden kann und muss.

Irvine Arditti hat für die Interpretationen zwei junge italienische Künstler an seiner Seite, die er als Dozent in Turin kennengelernt hat. In ihrer Interpretation werden die Steigerungen und das Ausbrechen, das dann auch in ein Abbrechen mündet. So führen die Musiker in Szene I die aufwärts jagenden Trillerketten zu manisch gehämmerten Repetitionen, die sich in der Klavierstimme als Cluster und in den Streichern als penetrant lautes Tremolo in Quinten entladen. In der ruhelosen und immer wieder neu ansetzenden Szene II treiben die Interpreten die Entwicklung gemäß den Vorgaben der Partitur mit aller Kraft und verzweifeltem Schwung zu einem hochexpressiven Moment, bevor ein Abbruch in durch immer längere Pausen unterbrochene leise Tonreihen mündet. Es gelingt den Beteiligten überzeugend, die Elemente, traditionelle Beinahezitate, die verfremdet wurden, mit den Zutaten von Rihm zu kombinieren und so beide Welten miteinander zu versöhnen.

In Antlitz zeigt Arditti, dass er auch die äußerst zart angelegte Violinstimme mit der Kraft der Intensität und dem Charme des Haltens der Spannung ohne Kraftmeierei gestalten kann.

Wolfgang Rihm’s quote “the music must be full of emotion, but the emotion must be full of complexity” can be understood in the Foreign Scenes in particular, as the music of Robert Schumann is combined here with that of Rihm himself. In this way, the music attributed to Romanticism is combined with the modern texture of the 20th century, thus linking an era adorned with the attribute of emotion with the more complex musical language of today.

Antlitz for violin and piano offers a continuous resonance space for the piano, which is achieved by the fixed sustaining pedal, and various restrained strokes for the violin, which is played using unusual techniques. This creates a kind of framework in which, as in a drawing, delicately differentiated actions can and must be performed.

Irvine Arditti has two young Italian artists at his side for the interpretations, whom he got to know as a lecturer in Turin. In their interpretation, the climaxes and the outburst, which then also leads to a break-off, are emphasized. In Scene I, for example, the musicians lead the upward-chasing chains of trills into manically hammered repetitions, which are discharged as clusters in the piano part and as penetratingly loud tremolos in fifths in the strings

In the restless and constantly restarting Scene II, the performers drive the development to a highly expressive moment with all their strength and desperate momentum in accordance with the score, before a break leads to quiet tone rows interrupted by increasingly long pauses. The participants succeed convincingly in combining the elements, traditional near-quotes that have been alienated, with Rihm’s ingredients, thus reconciling both worlds.

In Antlitz, Arditti demonstrates that he can also shape the extremely delicate violin part with the power of intensity and the charm of holding the tension without being overpowering.

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