Musikverein Wien

Namhafte Gäste baten im Goldenen Saal im Musikverein Wien zum Konzert. Andris Nelsons und das Gewandhausorchester Leipzig hatten die symphonische Dichtung ‘Das goldene Spinnrad’ von Antonin Dvorak und die vierte Symphonie von Gustav Mahler mitgebracht. Das Sopransolo in der Symphonie sang Nikola Hillebrand. Uwe Krusch berichtet für Pizzicato.

Jedes Jahr stellt der Musikverein eine Reihe von Veranstaltungen zusammen, die jeweils einem Objekt aus dem schier unerschöpflichen Archiv des Hauses gewidmet ist. In diesem Jahr ist es ein Buch mit getrockneten Blumen, das Clara Schumann ihrem Freund Johannes Brahms zueignete. Für ‘Das goldene Spinnrad’ von Dvorak fiel die Bezugnahme leicht, stammt die Vorlage für diese und die drei anderen symphonischen Dichtungen des Zyklus doch aus der Balladensammlung mit dem deutschen Titel ‘Blumenstrauß’ von Karel Jaromir Erben.

Für das Werk von Mahler aus der Gedankenwelt ‘Des Knaben Wunderhorn’ ließ sich mit ihrem naiv wirkenden Charakter auch die Relation verstehen.

Nach den ungleich bekannteren Symphonien und etwa auch dem Cellokonzert sowie seinen slawischen Tänzen von Dvorak sind die vier symphonischen Dichtungen außerhalb ihrer Heimat kaum bekannt. Das mag auch an dem gruseligen Stoff hinter der Musik mit Mord und Betrug in diesem Fall hängen. Es kann aber auch darin begründet sein, dass die Titel mit ihrem genrehaften und romantischen Gepräge verdecken, dass die vier Kompositionen aus der tschechischen Volksmusik in die Tonsprache des 20. Jahrhunderts führen. Weitgehend monothematische und harmonisch reiche und das irreguläre Metrum, der Volksmusik nachempfunden, bilden die Grundlage auch des Spinnrads.

Andris Nelsons
(c) Marco Borggreve

Umso verdienstvoller war die Programmierung mit diesem Werk, dem längsten der vier. Dabei ließ sich auch ohne Kenntnis des Stoffes die musikalische Erzählung nachvollziehen. Vom königlichen Hornthema über rhythmische und harmonische Wendungen für das höfische Leben und die Ritterwelt bis hin zu einer lyrischen Komponente für das schöne Mädchen und das namensgebende Spinnrad boten vor allem die Dur-Moll-Spannung genug Material, um den moralischen Kern des Märchens und damit der Musik, also den Sieg des Guten über das Böse, zu zeigen.

Dirigent und Orchester widmeten sich mit großer Begeisterung dem vermutlich auch für sie nicht alltäglichen Werk. Neben Soli für den Konzertmeister sowie ausgewählte Bläser in Holz und Blech von Piccolo über Englischhorn bis zur Tuba zeigten sie die spielerische Qualität und gestalterische Kraft des Ensembles, das mit warmem saftigem Streicherklang und exzellenten Bläsern punktete.

Nelsons führte souverän durch dieses. Er wusste seine Musiker geschickt dieses auch strukturell spannende musikalische Bild farblich fesselnd darzustellen.

Bei Mahler zeigten sich Nelsons und das phänomenal aufspielende Gewandhausorchester ebenfalls bestens disponiert. Die Vielzahl kleiner Temposchwankungen in der Symphonie, die bereits am Übergang vom dritten zum vierten Takt begannen, wussten sie ebenso zu gestalten, wie sie die vielen in der Partitur verzeichneten Spielanweisungen beherzigten. Dabei gingen sie jedoch sozusagen nicht immer bis an die Grenzen der Darstellung. Etwa die beiden im ersten Satz für zweite Geigen und Bratschen vorgegeben kurzen Momente, die als wild auffahrend gekennzeichnet sind, stellten sie zwar deutlich, aber nicht exaltiert vor.

So formten sie einen Mahler, der seine Eigenheiten zeigen durfte, aber auch hier oder da eine Groteske ausließ. Mit immer edlem Klang in den Streichern, mit überall harmonisch feiner Prägnanz in den Bläsern und einer perkussiv markanten, aber nicht übertreibenden Gruppe der Schlagwerker boten alle Beteiligten eine überzeugende Deutung der Symphonie

Für den vierten Satz gesellte sich Sopranistin Nikola Hillebrand bereits vor dem dritten Satz hinzu, weil die beiden letzten Sätze attacca gespielt werden sollten. Ihr Auftritt wurde von einer Minorität im Publikum unpassend mit Applaus bedacht, der aber zum Glück schnell abebbte. Das hätte man vermeiden können, wenn die Solisten erst während des Spiels der Musiker im vierten Satz hinzugekommen wäre, was praktisch erprobt ist.

Hillebrand führte sich mit guter Artikulation und warmer, ausgeglichen geführter Stimme in die so simpel klingende, aber nicht einfache Rolle ein. Lyrisch und einfühlsam gesungene Momente wusste sie ohne Schärfe in der Stimme einzubringen.

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