Im Goldenen Saal im Musikverein Wien hatten die Wiener Symphoniker und Gastdirigentin Eva Ollikainen gewissermaßen jeweils drei Sätze in jedem Konzertteil zu bieten. Während es sich nach der Pause um die 5. Symphonie von Sibelius und damit ein Werk handelte, wurden zu Beginn drei selbständige Werke für Chor und Orchester von Brahms als Einheit angeboten. Uwe Krusch erlebte für Pizzicato den Abend.
Mit dem Gesang der Parzen, der Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester und dem Schicksalslied erklangen die vielleicht nach Ein Deutsches Requiem bekanntesten Chorwerke von Brahms.
Die komprimiert wirkende Komposition des Gesangs der Parzen eröffnete das Konzert. Die großen Klangkörper, der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde und das Orchester erklangen dunkel gefärbt, was auch durch die kompositorischen Vorgaben verdoppelter tiefen Frauen- und Männerstimmen und dunkel klingender Instrumente wie Kontrafagott, Posaunen und Tuba im Orchester gestützt wurde. Bereits die instrumentale Einleitung vor dem Einsatz zunächst der Männer-, dann auch der Frauenstimmen schuf die Stimmung Notlage, in der sich die Protagonistin von Iphigenie auf Tauris auf Goethes Worte befand. Sehr plastisch modellierten die Beteiligten die beiden Sphären der Götter und der Menschen heraus. Bis hin zum Epilog mit verklingender sechster Strophe gelang es dem Chor, hier von Pausen durchsetzt mehr flüsternd als gesungen bei geheimnisvoll durch hohe gedämpfte Streicher und Holzbläser begleitetem Gesang, seine immer wieder beeindruckenden Fähigkeiten einzubringen.
Der mit großer Besetzung angetretee Singverein, bot über alle Werke Chorgesang auf allerhöchstem Niveau. Er wusste mit Klangentwicklung, Phrasierung, Musikalität und Textverständlichkeit über alle Aspekte choralen Wirkens hin bei natürlichem Atem zu begeistern. Auch in den beiden anderen Werken, bei der Rhapsodie auf den Männerchor beschränkt, fand er für jede Stimmung die richtige Klangfarbe.
Das Schicksalslied entwickelte sich vom flehentlich ausgeprägten Orchestervorspiel hin zur hellen Welt der beiden ersten Strophen, bevor es in der dritten Strophe mit erregten Streicherfigurationen sowie harten Akzenten und Dissonanzen erneut das Schicksalhafte beschwor. Dem Chor gelang mit stockender Deklamation hin zum Textschluss noch eine bestens gezeichnete Partie, bevor das den Fatalismus abmilderndes Orchesternachspielmit dem Rückblick auf die instrumentale Einleitung das Werk schloss.
In diese beiden Kompositionen eingebettet war die Altrhapsodie, bei der die Frauenstimmen des Chores durch eine Altsolostimme ersetzt sind. Hier brachte sich als Solistin Noa Beinart ein. Eindrucksvoll mit ihrer reichen, kraftvollen Stimme, der auch die gute Artikulation gelang, führte sie den Solopart des Werkes gut geführt.
Doch bei aller Zustimmung zu den Singstimmen wusste auch das Orchester der Wiener Symphoniker mit ebenso sattem wie sensiblem Spiel zu überzeugen. Sie hatten sich schon mit selbstbewusstem Wirken bei den drei Sätzen von Brahms an die Seite der Sänger gestellt und deren Gesang mit ausdrucksvollem Agieren mitgestaltet und nicht nur begleitet.
In der abschließenden fünften Symphonie von Sibelius konnten sie ungehindert und auf sich selbst gerichtet ihrer Qualitäten zeigen. So konnten gleich am Beginn Hörner und Holzbläser sich intensiv den Herausforderungen stellen, die sie mit Verve meisterten. Die Streicher konnten danach mit chromatisch flackernden Partie die Durchführung einleiten, bevor der aus einem ehemals eigenen Satz angefügte Teil, eine Art Scherzo entstand.
Im langsamen Mittelsatz mit seinen Variationen wussten die Musiker diese verschiedenen Behandlungen des Themas mit durchsichtiger Prägnanz zu gestalten. Insbesondere gelang es ihnen, das hier vorherrschende mehr rhythmische als melodische Variieren zu kennzeichnen. Den Finalsatz brachten sie mit exzellentem Zusammenwirken sowie ausgeprägten solistischen Passagen zum Schäumen. Nach einem einleitenden Perpetuum mobile servierte die Horngruppe ihr Thema vorzüglich, so als ob Thor seinen Hammer schwingt.
Den Zusammenhalt der homogen singenden Streicher, der exquisiten Holzbläser und der das klingende Fundament setzenden Blechbläser und des Paukisten hatte die finnische Dirigentin Eva Ollikainen organisiert. Nicht allzu groß gewachsen, vergrößerte sie mit ausladenden Bewegungen ihre Sichtbarkeit, konnte dabei aber immer zielgerichtet und wirkungsvoll ihre interpretatorischen Akzente einfordern. So gelang ihr im ersten Teil eine zwischen Orchester und Chor ausgewogene Darstellung voller Intensität, bei der Symphonie Nr. 5 Es-Dur, op. 82 von Sibelius eine alle Orchestergruppen hervorhebende Gestaltung, die die Schroffheit der Musik ebenso kartierte wie sie den Gesang der Schwäne, den Sibelius mit diesem Werk verband, als klingende Visitenkarte abliefern konnte.
Das relativ kurze Programm hatte trotzdem so viel und so tiefgehende Musik in reifen Darstellungen geboten, dass das Publikum ausgiebig applaudieren und auch ohne Zugabe zufrieden nach Hause gehen konnte.