Festivalleiter und Dirigent Alessandro De Marchi stellt bei den Festwochen Alter Musik in Innsbruck jedes Jahr eine wenig oder gänzlich unbekannte Oper zur Diskussion. Vor einem Jahr war dies ‘Didone abbandonata’ von Giuseppe Saverio Mercadante. Mercadante hält in seinen frühen Opern unverkennbar an der althergebrachten Tradition fest und pickt die neuen Dinge nur auf. Die musikalisch konservative Grundtendenz ist auch in der Wahl des traditionellen Librettos zu sehen. Der Vergleich seiner Didone abbandonata, basierend auf dem von Tottola umgearbeiteten alten Libretto von Pietro Metastasio, mit Rossinis gleichalter Semiramide zeigt die überholte Dramaturgie seiner Oper trotz eingefügtem Chor und einigen wenigen Ensembles.
Dennoch finden sich in dieser Oper manche vorwegnehmende Kleinodien. Das Stück folgt weitgehend dem Libretto Metastasios, in dem die unglückliche Liebesbeziehung zwischen dem aus Troja geflüchteten Enea und der Karthagerkönigin Didone erzählt wird. Die Handlung spielt in Karthago. Königin Dido ist, wie auch ihre Schwester Selene, in den trojanischen Helden Aeneas verliebt ist. Aeneas erwidert zwar die Liebe der Königin, will aber auf göttliche Berufung Karthago verlassen, um Troja neu zu gründen. Osmidas, der Vertraute Didos, begrüßt die Abreise von Aeneas, liebt er doch ebenfalls die Königin. Der Maurenfürst Jarbas nimmt Aeneas Abschied zum Anlass, gleichfalls um die Hand der Königin zu werben. Da Dido Jarbas abweist, lässt der Maurenfürst Karthago in Brand stecken. Inmitten der Flammen treffen Dido und Jarbas aufeinander. Nochmals bietet Jarbas der Königin an, sie zum Traualtar zu führen. Als ihn Dido erneut zurückweist, gibt er den Befehl, Karthago gänzlich zu zerstören. Dido sucht in den Flammen ihres Palastes den Tod.
Die Regie von Jürgen Flimm zeigt nicht die beste Seite seines Könnens. Langeweile auf einer sich drehenden Baustelle der Betonzitadelle samt Betonmischer und bierbestückten Kühlschrank (Bühnenbild: Magdalena Gut), auf der sich am Ende eine Vergewaltigung und Gewalt ebenso marktschreierisch wie sinnfrei Bahn brechen. Mit diesem Konzept holt er den Stoff in unsere militanter werdende Gegenwart. Bühnennebel verdeckt manchen Stillstand der Massenszenen. Ein gespenstisches Vorkriegsszenario kippt am Ende in eine Groteske.
Weitgehend großartig präsentiert sich die Riege der singenden Personen.
Mercadante legt Didone als energische Frau an. Diese Rolle, die sowohl lyrisch als dramatisch ist und Koloraturen und Höhe verlangt, ist äußerst anstrengend. Der Sopranistin Viktorija Miskunaite wird also einiges an Agilität wie Dramatik abverlangt. Das meistert sie bravurös und zwar sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch. Ihre Schlussszene ist der Höhepunkt der Aufführung.
Ihr in allen Bereichen ebenbürtig ist die österreichische Mezzosopranistin Katrin Wundsam in der Hosenrolle des Aeneas. Das Liebesduett der beiden zählt ebenso zu den Höhepunkten der Vorstellung.
Carlo Vincenzo Allemano brilliert als Maurenfürst Jarbas mit ironischem Gesang und einer komischen Rollendarstellung. Gut gefällt auch die Mezzosopranistin Emilie Renard in der Rolle von Selene, schauspielerisch zurückhaltender, aber in der Mimik ausdrucksstark. Zur guten Ensembleleistung tragen auch der Pietro Di Bianco als Osmidas, und Diego Godoy als Araspe bei. Mit kräftigen Stimmen wird der Herrenchor des Coro Maghini (Einstudierung: Claudio Chiavazza) als Soldatentruppe verschiedener Herrscher seiner Rolle mehr als gerecht.
Dirigent Alessandro de Marchi bettet die Sängerriege auf Samtkissen, was schon mit der tiefen Stimmung, aber auch gemäßigten Tempi und dosierter Lautstärke zusammen hängt. Allerdings hatten die Hornisten seines Originalklangensembles Academia Montis Maghini gleich in der Ouvertüre Mühe, einen sauberen, geschweige denn schönen Klang zu produzieren. Auch Unsicherheiten des Orchesters im Rhythmischen überraschen. Insgesamt aber zeigt das Ensemble sich der Musik gewachsen und kitzelt etwa die Rossini-Anklänge heraus.
An Ende aber ist es vor allem Mercadantes Musik, die nicht vollends überzeugen kann. Wenn Berlioz nur 35 Jahre später in seinen Troyens eine mitreißende Tragödie vertont, so scheinen Mercadante die musikdramatischen Mittel zu fehlen. Und bei den Belcantopassagen, so musikantisch sie auch teilweise sind, vermisst man den zündenden Funken. Es scheint, dass ein handwerklich grundsolider Traditionalist auf halbem Wege mutlos stehen geblieben ist.
Alessandro de Marchi revival of Mercadante’s Didone Abbandonata benefits from a very good cast, while the orchestra has some difficulties. Set and stage direction are arguable. But in the end it’s mainly Mercadantes music that can’t completely convince. When Berlioz sets a stirring tragedy to music in his Troyens only 35 years later, Mercadante seems to lack the musical-dramatic means. As a traditionalist, he despondently stopped halfway…