Ach ja, die Nocturnes von Chopin! Wie oft haben wir sie schon gehört, und wie oft in mittelmäßigen, klischeehaften und phantasielosen Interpretationen. Selbst große Pianisten haben hier Federn lassen müssen, wie etwa Daniel Barenboim in seiner überromantisierten Einspielung. Emmanuelle Swiercz spielt die Nocturnes mit einer Expressivität, wie man sie kaum gehört hat. Ich war bisher immer der Überzeugung, dass man diesem Werk nur mit Distanz und Objektivität (siehe Arrau, siehe Pollini) beikommen könnte. Aber Swiercz stürzt sich mit Begeisterung in das Seelenleben von Chopin, zeichnet Nachtbilder mit ungeahnten Stimmungen und wunderschönen Traumsequenzen und das allen mit einer phänomenalen Brillanz und Selbstverständlichkeit. Und dabei tut die französische Pianistin nie zu viel. In keinem Moment tappt sie in die berühmten Chopin-Fallen, die aus seiner Musik nur larmoyante Abziehbilder und Episoden des Kitsches machen.
Emmanuelle Swiercz nimmt Chopin ernst, entledigt sich aller Klischees und schafft somit einen wirklich neuen, aufregenden Zugang zu dieser vielgespielten und oft falsch verstandenen Musik. Ihre makellose Technik und ihrer schöner Klang erlauben es ihr, viele Details wie Perlen erscheinen zu lassen. Aber da, wo Forte verlangt ist, gibt es auch ein Forte. Aber dieses Forte ist dann wie ein Feuerwerk, mit unendlich vielen, brillanten Farben. Welch ein Genuss!