Die erste CD dieses neuen Sets aus Leipzig beginnt mit dem Siegfried-Idyll von Richard Wagner. Nelsons dirigiert es vergeistigt, weltentrückt, wie einen schwärmerischen Traum. Das ‘Tribschener Idyll mit Fidi-Vogelgesang und Orange-Sonnenaufgang’ erklingt nicht als Tongemälde, sondern als verträumtes Stimmungsbild.
Danach folgt Bruckners Sechste Symphonie, eines seiner schwierigsten Werke, für den Interpreten wie auch für den Hörer. Die rhythmisch verschiedenen Schichtungen lassen es ausdrucksmäßig derart komplex erscheinen, dass einem seine Bedeutung nicht immer ganz klar wird. Andris Nelsons arbeitet die darin enthaltenen Kontraste gut heraus und lässt sein Orchester sehr plastisch musizieren. Er macht das Werk bis ins letzte Detail durchhörbar. Das Gewandhausorchester brilliert in allen Registern. Auffallend ist das langsame Tempo im Adagio, wo Nelsons fast so langsam ist wie Celibidache. Durch die Opulenz des Klangs hält er den Satz dennoch erstaunlich gut zusammen. Und so ist es letztlich die letztlich (vielleicht etwas sachliche) Klanglichkeit, die die Interpretation dieser Sechsten Symphonie auszeichnet.
Nach dem gefühl- und weihevollen Parsifal-Vorspiel dirigiert Nelsons auf der 2. CD die unvollendete Neunte Symphonie von Anton Bruckner. Der erste Satz ist spannungsvoll, perfekt geatmet, mit gut dosiertem Affekt, mit der richtigen Dramatik, einer guten Portion Mysterium, dabei wunderbar transparent und sehr inspirierend, auch wenn dem Dirigenten die Gegenüberstellung von absteigenden und aufsteigenden Bewegungen nicht so zwingend gelingt wie Herbert Blomstedt in seiner Aufnahme mit demselben Orchester (Decca 1995).
Das Scherzo wird schwungvoll und kraftstrotzend gespielt, mit einem, quicklebendigen Trio. Das sehr gute Ausleuchten der Partitur bringt Formulierungen zustande, die aufhorchen lassen.
Das Adagio gelingt dem Dirigenten sehr gut. Das Feierliche gelingt Nelsons ohne Pathos und Monumentalität, die Pianissimo-Stellen sind wunderbar, die Nuancen erregend, und besonders die charakteristischen Schwing- und Schwebezustände zeichnen die Interpretation aus, die auf ideale Weise Verklärungshöhen mit wirklich bohrendem Schmerz, Bitterkeit mit Sehnsucht. Es ist eine spannungsvolle, außerordentlich warme, im besten Sinn romantische Aufnahme.