Kent Naganos Beethoven hat mich bis jetzt noch nie richtig überzeugen können. Bei dieser neuen Veröffentlichung, die unter dem alles und nichts sagenden Titel ‘Departure – Utopia’ steht, vermag der Dirigent aber ein großartiges Beethoven-Bild zu entwerfen. Insbesondere die 1. Symphonie lässt den Hörer an einer ungemein spannenden Reise teilhaben, weil Nagano der Musik auf den Grund geht und sie nicht unbedingt als eine Fortsetzung von Haydns Leichtigkeit sieht. Nagano legt das Neue offen, stellt klar, wie kunstvoll Beethoven hier mit den Themen umgeht und wie innovativ er der Gattung Symphonie begegnet. Mit chirurgischer Präzision legt er die Themen und Melodien frei und dank einer hervorragenden Klangtechnik bettet er diese wieder in ein kohärentes Gesamtklangbild ein. Es sind mehr als nur dramaturgische Kunstgriffe, denn durch Naganos Kunst der Analyse bekommt Beethovens erste eine ganz neue, frische und hochinteressante Eigendynamik.
Das gleiche Rezept bewährt sich dann auch bei der Siebten, die Nagano sehr dramatisch inszeniert und in der der Jubel immer etwas grimmig wird. Ähnlich wie bei Furtwängler, obwohl der ganz andere Aspekte im Auge hat, hat auch Naganos Interpretation etwas von Welttheater an sich, das diese Musik einerseits sehr erdgebunden, andererseits aber wiederum sehr philosophisch erscheinen lässt. Der humanistische Gedanke Beethovens kommt gerade durch die sehr kontrollierte Interpretation hervorragend zur Geltung, so dass man diese Aufnahme mit dem grandios aufspielenden ‘Orchestre Symphonique de Montréal’ neben Vänskä/Minnesota, De Vriend/ Netherlands Symphony Orchestra und Järvi / Bremen und Dausgaard/Swedish Chamber Orchestra zu den innovativsten Einspielungen der letzten Jahre rechnen muss.
Kent Nagano’s Beethoven is innovative and extremely clear, and the orchestra’s playing is superb. A major contribution to the newer Beethoven interpretation, for sure!