Das Neujahrskonzert 1987 gehört zweifellos zu den besten in der Geschichte dieser Prestigereihe. C-Major bringt es jetzt auf Blu-ray heraus. Karajan kostet in diesem Konzert die Musik aus, als wolle er damit Balsam für seinen damals so kranken Körper destillieren. Er zeigt nicht nur die Eleganz, nicht nur die gute Laune, sondern auch die melancholische Seite der Strauss-Musik und bringt deren Kantabilität heraus, wie kaum ein anderer das je schaffte.
Das Bild zeigt es: zwischen den Stücken ist Karajan meistens nervös und fast ungehalten, doch so wie er zu dirigieren beginnt, ist er ein anderer Mensch. So viel hat mit ihn nie bei Konzerten lachen oder lächeln sehen. Wenn am Schluss von ‘Unter Donner und Blitz’ die Konfettikanone losballert, mimt er gar den Sterbenden, der von einer Kugel getroffen worden ist.
Doch ist es vor allem die Musik, die hier begeistert. Mit durchwegs breiten Tempi scheint Karajan die Melodien regelrecht aus den Instrumenten heraus zu saugen. Die Gestik ist reduziert, aber mit der linken Hand zeichnet wer minutiös vor, was die Wiener dann sehr genau in Musik umsetzen. Zum Ereignishaften dieses Konzerts gehört auch Kathleen Battle, die aus dem Frühlingsstimmenwalzer ein Kunstwerk ohnegleichen macht. So gehört diese Videoaufnahme ganz sicher zu den Highlights des an guten Dokumenten nicht eben armen Video-Testaments Herbert von Karajans.
Das Silvesterkonzert 1988 war Karajans letztes Konzert in Berlin. Richard Osborne berichtete, der Dirigent sei mit einem Cocktail gemischt aus Schmerzkillern und Aufputschmitteln von seinem Arzt zur Vorstellung entlassen worden. Als er auf die Bühne ging, soll er gesagt haben: « Jetzt sehen Sie einen Mann auf dem Podium sterben ».
Dieses Silvesterkonzert 1988 am Bildschirm zu sehen, heißt denn auch mit zu erleben, wie der große alte Mann trotz der Schmerzen, die ihm das Dirigieren bereitete, auflebte, wie sich die jugendliche Kraft des damals 17-jährigen Kissin auf ihn übertrug, wie er die Philharmoniker noch einmal zu Höchstleistung anspornte, wie er trotz des gewählten eher breiten Tempos Tchaikovskys Klavierkonzert den Glanz und den großen Atem verlieh, die Karajan-Interpretationen dieses Werks
früher prägten. Kissin hat wundervolle Monologe, in denen man den Atem anhält. Die Kameraführung im Klavierkonzert ist exzellent, weil sie die dem Fluss der Musik folgt und so die Atmosphäre mit steigert.
The 1987 New Year’s Concert is undoubtedly one of the best in the history of this prestigious series. C-Major is now releasing it on Blu-ray.
Karajan savors the music in this concert as if he were using it to distill balm for his at that time very ailing body. He shows not only the elegance, not only the good humor, but also the melancholy side of Strauss’ music, bringing out its cantabile as hardly anyone else ever managed to do.
The video shows it: between the pieces Karajan is usually nervous and almost indignant, but as he begins to conduct, he is a different man. I have never seen him laugh or smile so much at concerts. When at the end of ‘Unter Donner und Blitz’ the confetti cannon goes off, he even mimes the dying man who has been hit by a bullet.
But it is above all the music that inspires here. With consistently broad tempi, Karajan seems to literally suck the melodies out of the instruments. The gestures are reduced, but with the left hand he meticulously sketches what the Viennese then precisely translate into music. The concert also includes Kathleen Battle, who turns the Frühlingsstimmenwalzer into a work of art without equal. Thus, this video recording is certainly one of the highlights of Herbert von Karajan’s video testament, which is not exactly lacking in good documents.
The 1988 New Year’s Eve concert was Karajan’s last in Berlin. Richard Osborne reported that the conductor was released by his doctor for the performance with a cocktail mixed of painkillers and stimulants. As he walked on stage, he reportedly said, « Now you are watching a man die on the podium. »
To see this 1988 New Year’s Eve concert on the screen is to witness how the grand old man came alive despite the pain of conducting, how the youthful vigor of the then 17-year-old Kissin was transferred to him, how he once again spurred the Philharmonic to peak performance, how, despite the rather broad tempo chosen, he gave Tchaikovsky’s Piano Concerto the brilliance and great breath that used to characterize Karajan’s interpretations of this work in the past. Kissin has wonderful monologues in which one holds one’s breath. The camerawork in the Piano Concerto is excellent because it follows the flow of the music, helping to heighten the atmosphere.