Johann Sebastian Bachs ‘Matthäus-Passion’ verwandelte John Neumeier bereits 1980 in ein Ballett. Verstanden wurde sein Anliegen damals wie auch später von vielen nicht.Der Choreograph sagte selber dazu: « Die Arbeit an der Matthäus-Passion war wie die Suche nach einer verschollenen Sprache: nach einer Sprache für religiöse Inhalte und nach einer choreographischen Form für Bachs musikalische Formulierung ».
Die Geschichte dieses Balletts begann 1980 in der Kirche St. Michaelis in Hamburg. Ihr Kantor Günter Jena gab den Anstoß. Mit Zweifel und Mut machte sich Neumeier ans Werk, gewann aber immer mehr Überzeugung, investierte sich total und riss sein Ensemble mit: « In meiner gesamten Karriere als Choreograph gab es für mich noch nie eine solche Zeit der Harmonie mit den Tänzern, des Voneinanderlernens, ein solch instinktives Verstehen des Werks, solch positive Zusammenarbeit und Konzentration wie während der Kreation der Matthäus-Passion », sagte John Neumeier rückblickend auf diese Arbeit, die gewiss der Höhepunkt seines reichen künstlerischen Schaffens ist.
Im November 1980 wurde eine erste ‘Skizzenfassung’ in St. Michaelis uraufgeführt, sieben Monate später die Gesamtfassung in der Staatsoper Hamburg. Die Musik bestimmte seine Choreographie ebenso wie der Inhalt und die Botschaft der Passion. Das Ballett erlangte Kultstatus. In Europa, Amerika und Asien fanden fast 500 Aufführungen statt, ein Zeichen nicht nur für die Liebe zur Ballettkunst, sondern auch für das Bedürfnis vieler Menschen nach metaphysischen Inhalten. Im Festspielhaus Baden-Baden trat John Neumeier zum letzten Mal in der Christus-Rolle auf. Die Produktion wurde live in Baden-Baden mitgeschnitten und ist jetzt als DVD erhältlich. Auch wenn die Passion musikalisch in der alten Hamburger Aufnahme klanglich etwas mager wirkt, ist dies ein wunderbarer Film, der den Zuschauer in eine ganz besonders anspruchsvolle, durch und durch spirituelle Welt entführt und eine ebenso beglückende wie befreiende Wirkung hat.