Am 25. Mai 1869 wurde die heutige Wiener Staatsoper mit Mozarts Don Giovanni feierlich eröffnet. Mit dieser Jubiläums-CD-Box zum 150-jährigen Bestehen des Opernhauses wird die künstlerische Qualität des Hauses gewürdigt.
Karl Böhms legendäre Aufnahme des Bergschen Wozzeck mit Fischer-Dieskau hat ihn zu einem der größten Interpreten dieser Oper abgestempelt. Mit Walter Berry hat er hier einen ganz exzellenten Wozzeck zur Hand, und mit Christel Golz eine nicht weniger beeindruckende Marie. Der Knackpunkt ist, wie in den folgenden Aufnahmen von Fidelio und Elektra, das verwaschene Klangbild der Aufnahmen.
Am 25. Mai 1962 hatte Herbert von Karajan weder sein Orchester noch die Solisten wirklich unter Kontrolle und es geht in diesem Fidelio-Livemitschnitt so viel schief, dass man nur staunen kann. Aber das sei mal wegen der Intensität des Ganzen hintangestellt. Wenn die Besetzung durchwegs gut ist, so ragen doch Christa Ludwig und Jon Vickers deutlich heraus. Ludwig ist viel dramatischer als in der Studio-Aufnahme mit Klemperer, die sie auch mit Vickers als Partner machte, allerdings war der im Studio stimmlich in besserer Verfassung als hier.
Die katastrophale Mikrophonierung der Elektra macht es schwer, Birgit Nilssons unmittelbar anspringende Darstellung der Titelrolle voll zu erleben. Grandios sind Regina Resnik als Klytämnestra, Leonie Rysanek als Chrysothemis, Wolfgang Windgassen als Aegisth und Eberhard Waechter als Orest.
Karajans Wiener Produktion von Le Nozze di Figaro gibt es als Studioaufnahme und hier in einem Livemitschnitt. Karajan vereinigt Stimmen und Orchesterklang zu einer Einheit und lässt sie in perfekter Ausgewogenheit in unsere Ohren schweben.
Die Wiener Philharmoniker setzen des Meisters Streben nach dem reinen, schönen und dennoch quicklebendigen Klang hinreißend um. So spontan wie hier hat man die ‘Nozze’ selten gehört. Das Ensemble ist erstklassig, bis in die kleinste Nebenrolle.
Mit seiner kräftigen, dunklen Bassbaritonstimme bietet der virile und selbstsichere José van Dam eine tolle Leistung als Figaro, und die gewitzte und doch auch hoch sensibel singende Ileana Cotrubas ist eine himmlische Susanna. Nicht weniger herzbewegend ist Frederica von Stade in ihrem in jugendlichen Gefühlsergüssen auflebenden Cherubino. Anna Tomowa-Sintow ist eine Topbesetzung für die Gräfin, und Tom Krause hat alles, was ein richtiger Graf braucht: herrisches Auftreten und eine sensible Seele, Ironie und Spiellust.
1984 hatte Claudio Abbado eine Studioaufnahme von Rossinis Il Viaggio a Reims gemacht. Darin singt Katia Ricciarelli die Rolle von Madame Cortese, die in dieser vier Jahre später entstanden Liveaufnahme von Monserrat Caballé gesungen wird. Man kann die frischere Stimme von Ricciarelli vorziehen, aber insgesamt wiederholt sich hier das Wunder Abbado-Viaggio.
Rauschende, gefühlvoll gestaltete Orchesterklänge und gute Sänger lassen die Produktion von Wagners Tristan und Isolde unter Franz Welser-Möst sehr zufriedenstellend werden.
Nina Stemme ist eine phänomenale Isolde und Peter Seiffert ist ein erstaunlich guter, lyrisch singender Tristan.
Absolut faszinierend ist auch Tchaikovskys Eugen Onegin, weil Andris Nelsons unter die Sängerstimmen einen ungemein reichen und raffinierten, dynamisch breitbandigen Orchesterklang zieht. Anna Netrebko ist eine großartige Tatjana, und neben ihr sind Dmitri Hvorostovsky als Onegin und Dmitry Korchak als Lenski sehr erfolgreich.
Als eher enttäuschend empfinde ich die von Thielemann dirigierte Ariadne auf Naxos, stimmlich wie auch orchestral ziemlich unbefriedigend.
Umso mehr Begeisterung entfacht die von Jesus Lopez-Cobos eher sorgfältig als spannend dirigierte Aufführung von Verdis Un ballo in Maschera. Attraktiv aber ist der Mitschnitt durch einige der Sänger, darunter in erster Linie Piotr Beczala, der stimmlich in Topform ist und darstellerisch den Schwedenkönig packend darzustellen weiß.
Dieser Leistung ebenbürtig ist die von Krassimira Stoyanova faszinierend ausdrucksvoll und vokal hervorragend gesungene Amelia. Dmitri Hvorostovsky ist ein charaktervoller und sonor-ausdrucksvoller Renato, und Nadia Krastevas Ulrica ist ebenfalls bemerkenswert.
Die Doppel-CD Legendary Voices scheint leider eher nach dem Prinzip, einige wichtige Namen hinzuzufügen, als nach den Kriterien wirklich magischer Opernmomente kompiliert worden zu sein. Sie sind denn auch trotz Gruberova, Domingo, Meyer, Varady, Freni und Pavarotti eher selten.