Das Festival ‘Next Generation’ hat einmal mehr seinen guten Ruf als Talentwarte verteidigt. Im ersten Sonntagskonzert stellte sich zunächst der 16-jährige chinesische Flötist Yuan Yu zusammen mit Boris Kusnezow am Klavier vor. Der von den ‘International Classical Music Awards’ ausgewählte Gewinner des ‘Discovery Award’ 2018 spielte die Fantasie über Carl Maria von Webers ‘Der Freischütz’ des französischen Flötisten und Komponisten Paul Taffanel. Yuan Yu begeisterte mit einem silbrig feinen, rassigen Klang und einer tief musikalischen Gestaltung, die eine perfekte Balance von emotionaler Dosierung und strukturellem Denken zeigte. Die hervorragende dynamische Kontrolle, die sichere Attacke, die Ausformung des rhetorischen Gehalts mit ganzem Körper und die souveräne Phrasierungskunst sind Atouts in Yus Spiel, die ihm gewiss den Weg zu einer brillanten Karriere ebnen werden.
Aus Taiwan kam der erst 13-jährige Pianist Hao-Wei Lin, der das Publikum im Kursaal in Bad Ragaz mit einem großartigen Klangempfinden beeindruckte. Mit 13 Jahren so Ravel spielen zu können (‘Noctuelle’ und ‘Une barque sur l’océan’ aus ‘Miroirs’) ist wirklich ungewöhnlich. Viel Musik gab es auch in der souveränen Gestaltung der 3. Chopin-Ballade. Bei Hao Wie Lin ist ein Gestaltungspotenzial vorhanden, das gewiss nicht alltäglich ist. Den jungen Pianisten muss man unbedingt im Auge behalten.
Der junge deutsche Cellist Philipp Schupelius (*2003) spielte Carl Davidoffs ‘Allegro de Concert’ op. 11, am Klavier wie alle anderen Solisten solide und konstruktiv begleitet von Boris Kusnezow. Der junge Cellist litt etwas unter dem zu schwachen Klang seines Instruments. Wie zu hören war, soll er bald ein neues Cello bekommen, und dann würden wir ihn sehr gerne wieder hören.
Den Abschluss machte die 14-jährige russische Pianistin Evelyne Medvedko, die Schumanns ‘Widmung’ in der Liszt-Bearbeitung mit Hingabe spielte. Mendelssohns ‘Rondo capriccioso’ erklang flüssig und gradlinig, aber mit ungenügender musikalischer Ausformung.
Mit Spannung erwartete das Publikum das Konzert der ‘Artist in Residence’ des Festivals ‘Next Generation’, Sara Domjanic. Der Kursaal war bis auf dem letzten Platz gefüllt, als die 1997 in Vaduz geborene Geigerin ihr Programm mit der Chaconne von Tomaso Antonio Vitali (1663-1745) in der Bearbeitung von Zino Francescatti eröffnete. In diesem romantischen Ansatz gelang der jungen Künstlerin eine von Emotion und Leidenschaft geprägte Interpretation. Mit dem kongenial am Klavier agierenden Boris Kuznezow spielte Sara Domjanic danach eine spannende Aufführung der Violinsonate von Richard Strauss, die dieser komponierte, als er zweiundzwanzig Jahre alt war. Sara Domjanic beherrschte die feine Kunst der dynamischen Unterschiede, um im ersten Satz Kantilenen, leidenschaftliche Rhetorik und zartes Flüstern unter einen Hut zu bringen. Den zweiten Satz gestalteten die beiden Interpreten mit süßem Charme, und im dritten wurde der genuine Strauss-Klang schon ausgemacht, mit farblichen Vorboten von ‘Ariadne auf Naxos’.
Für den zweiten Teil ihres Konzertes hatte Sara Domjanic musikalische Freunde eingeladen, um Mendelssohns Oktett op. 20 zu interpretieren.
Als der 16-jährige Mendelssohn sein Oktett schrieb, vermerkte er auf der Partitur: « Dies Oktett muss von allen Instrumenten im Style eines symphonischen Orchesterwerks gespielt werden. » Der Komponist wäre denn auch wohl über die Bad Ragazer Interpretation des Oktetts entzückt gewesen, das mit seinem pulsierenden Musizieren, Farbenpracht sowie Schwung- und Federkraft überzeugte. Im ersten Satz loderte intensivstes musikalisches Feuer und ließ im neblig-trüben Bad Ragaz die Sonne scheinen, während der zweite in wohligem Charme für sich einnahm. Der dritte Satz war verblüffend ‘leggierissmo’, während das abschließende Presto hoch energetisch, klangdicht und sonor eine richtige Sogkraft entwickelte.
Und so war dies ein weiteres Konzert, in dem junge Musiker mit vollem Einsatz große Kunst zeigten.
Remy Franck (zurzeit Bad Ragaz)