Mit dem Vivace aus dem Streichquartett op. 4 von Jean Sibelius in einer Fassung für Streichorchester eröffnete das Ensemble ‘Esperanza’ gestern Abend im Kursaal des ‘Grand Resort’ in Bad Ragaz das achte Festival ‘Next Generation’. Der Einstand hätte nicht besser und erregender gelingen können als mit diesem sehr gestischen, energisch gespannten Musizieren, das auch die kleinen Eintrübungen der Musik nicht vernachlässigte. Der intime Charakter des Quartetts wurde auf sehr überzeugende Weise groß dimensioniert und entsprechend verstärkt in der Rhetorik.
Es folgten Edward Elgars Streicherserenade mit einem hinreißend melancholischen Larghetto und starken Ecksätzen sowie Benjamin Brittens ‘Simple Symphony’, die unter der Leitung von Kontermeisterin Chouchane Siranossian gar nicht so ‘simpel’ wirkte und auch ihre Modernität unverhohlen zeigte. Kräftige Kontraste, pointierte Akzentuierungen, ein hinreißendes Farbenspiel in einem insgesamt sehr federnden Musizieren zeigten einmal mehr das sehr hohe Niveau von ‘Esperanza’. Hier wie in der Elgar-Serenade beeindruckte neben der spieltechnischen Agilität auch das ausgeprägt lyrische Spiel des Ensembles, das manchmal wie ein richtiger ‘Streicherchor’ wirkte, so hinreißend sängerisch wurde gespielt und geatmet. Einen besonders starken Eindruck machte dabei der ‘Bratschenchor’ mit dichter und klangschöner Präsenz unter all den anderen Stimmen.
Und noch etwas zeigte die Aufführung der Britten- und Elgar-Werke: Die Briten können ruhig ihren Brexit durchziehen und sich auf ihrer Insel einschließen. Europa ist mit ‘Esperanza’ gerüstet, um in Zukunft britische Musik dieses Repertoires genuin britisch zu spielen.
Nach der Pause spielte das Kammerorchester mit den beiden ‘Artists in residence’ des Festivals, der jungen Geigerin Sara Domjanic aus Liechtenstein und dem 16-jährigen deutschen Pianisten Robert Neumann, dem Gewinner des ‘Discovery Award’ der ‘International Classical Music Awards’ (ICMA) 2017.
Zusammen mit dem nicht in banaler Begleitung absinkenden, sondern kräftig mitgestaltenden ‘Esperanza’-Ensemble gelang eine ungemein frische und spannende Aufführung des Konzerts für Violine, Klavier und Streichorchester von Felix Mendelssohn, in dem sich die beiden Solisten wundervoll ergänzten, wirklich ganz aufeinander eingingen und sich die Bälle in diesem aufregenden Ping-Pong-Spiel sehr spontan zuschossen, während sie anderwärtig ihre Klänge sich fein und sensuell umgarnen ließen. Insgesamt war es eine Interpretation, die Energie und Eleganz, Kraft und Charme sehr gut verband. Virtuos und stimmig brachten Sara Domjanic, Robert Neumann und ‘Esperanza’ unter Couchane Siranossian das Konzert mit einer Mischung aus romantischem Flair und energetischem Drang regelrecht zum Erglühen. Harmlos wirkte dieses bewegungsreich und mit einer spürbaren Spiellust dargebotene Konzert daher wirklich nie!
Remy Franck (z.Z. Bad Ragaz)