Der 54-jährige australische Geiger und Dirigent Nicholas Milton ist seit 2018 Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Göttinger Symphonieorchesters. Mit dieser Formation hat er die Vier Symphonien sowie die Akademische Festouvertüre von Johannes Brahms für Prospero aufgenommen. Dass Brahms mehrmals in Göttingen weilte, mag ein Anlass für diese Produktion gewesen sein, viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass diese Interpretationen so gut geworden sind.
Die Erste Symphonie ist durchgehend spannungsvoll, und obwohl die Tonaufnahme etwas basslastig ist, fällt sofort die Transparenz auf. Die hohen Streicher mögen vielleicht manchmal etwas dünn klingen, aber die so wichtigen Holzbläser kommen umso mehr zur Geltung und bringen viel Wärme. Milton, der durchaus das Drängende der Musik umsetzt und den Fluss der Musik immer punktuell mit Akzenten und Rubati belebt, schärft auch den Dialog zwischen den einzelnen Orchestergruppen. Viele Passagen werden so interessant, dass man genau hinhört, um neuartig klingende Klangverläufe zu registrieren. Wie hervorragend der Australier strukturiert und formt zeigt – um nur ein Beispiel von vielen möglichen zu nennen – der besonders bedeutungsvoll gewordene Beginn des letzten Satzes.
In der Zweiten paart Milton den immer willkommenen fließenden Lyrismus mit sehr positiven, lebensbejahenden und immer wieder auch enthusiastisch drängenden Gefühlen. Die Tempi im dritten und letzten Satz sind entsprechend schnell, und die sprühende Leichtigkeit des Finalsatzes ist absolut hinreißend…
Mit einem ganz besonders gut zwischen kraftvollem Ausdruck und Zurückhaltung differenzierten ersten Satz leitet Milton mit seinem exzellenten Göttinger Orchester die Dritte ein, die in einer durchgehend spannenden und flüssigen Interpretation zu hören ist.
Auch in der Vierten passiert sehr viel, und in einem rhetorischen, gestischen Musizieren kommen Frohsinn wie auch Resignation gut zum Ausdruck. Einige besonders liebe- und gefühlvolle Passagen fallen im zweiten Satz auf.
Es ist faszinierend, was Milton an Detailarbeit leistet, wie er strukturiert, Tonebenen einteilt, dabei eine große Transparenz erreicht.
Und so kann ich nur sagen: aus Göttingen kommt mit diesem Set eine hochkarätige Gesamtaufnahme der Brahms-Symphonien, die man nur empfehlen kann und die auch dem Hörer etwas bringt, der seinen Brahms bestens kennt. Es gibt darin wirklich so manches in neuen Formulierungen zu entdecken. Und weil diese Aufnahme eher unerwartet kommt und insgesamt als beglückend angesehen werden muss, hat sie unsere Supersonic-Auszeichnung verdient.
The 54-year-old Australian violinist and conductor Nicholas Milton has been Artistic Director and Principal Conductor of the Göttingen Symphony Orchestra since 2018. With this formation, he has recorded the Four Symphonies as well as Johannes Brahms’ Academic Festival Overture for Prospero. The fact that Brahms stayed in Göttingen several times may have been an incentive for this production, but much more important is the fact that these interpretations turned out so well.
The First Symphony is full of tension throughout, and although the recording is somewhat bass-heavy, the transparency is immediately noticeable. The high strings may sound a bit thin at times, but the all-important woodwinds come into their own all the more, bringing plenty of warmth. Milton, who certainly realizes the urgency of the music and always enlivens its flow with accents and rubati, sharpens the dialogue between the various orchestral groups. Many passages become so interesting that one listens closely to register novel-sounding developments. How excellently the Australian structures and shapes the music is shown – to cite just one example of many possible – by the beginning of the last movement, which becomes particularly meaningful.
In the Second Symphony, Milton pairs the always welcome flowing lyricism with very positive, life-affirming, and sometimes enthusiastically urgent sentiments. The tempos in the third and last movements are appropriately fast, and the effervescent lightness of the final movement is absolutely ravishing….
With a particularly well-differentiated first movement between powerful expression and restraint, Milton and his always excellent Göttingen Orchestra introduce the Third, which is heard in a consistently exciting and fluid interpretation.
There is also a great deal happening in the Fourth, and both happiness and resignation are well expressed in a rhetorical, gestural performance. Some particularly affectionate and emotional passages stand out in the second movement.
It is fascinating what Milton does in terms of details, how he structures the various levels, and achieves great transparency in the process.
And so I can only say: here we have a top-class complete recording of the Brahms symphonies, which can only be recommended and which also is enriching for listeners who know their Brahms very well. There are really many things to discover in new formulations. And because this recording comes rather unexpectedly and must be regarded as overall delightful, it has earned our Supersonic award.