Aufnahmen mit Philipp Jaroussky oder anderen Countertenören sind inzwischen Legion. Was ist also das Besondere an dieser? Dass es sich um Musik handelt, die dem Künstler auf den Leib geschrieben wurde! Die herausragend schöne Stimme von Jaroussky hat Kaija Saariaho zu zwei einaktigen Opern angeregt, die unter dem Obertitel ‘Only the Sound Remains’ zusammengefügt sind. Diese hat Peter Sellars in einem schmalen Bühnenbild mit einer nach Bedarf transparenten Rückwand inszeniert. Diese Rückwand ist manchmal wie ein Gazevorhang, manchmal gemustert wie Höhlenmalereien im Tal der Vézère strukturiert, manchmal grau und abweisend.
So wie man sich auch die frühen Menschen im Feuerschein in der Höhle bei beschwörenden Kulthandlungen vorstellen mag, so schlüpft Jaroussky in das Geschehen, stimmlich nur begleitet von Davone Tines, einem Bassbariton, sowie von der Tänzerin Nora Kimball-Mentzos im zweiten Werk, ‘Feather Mantle’. Ein Fischer findet am Strand in einem Baum hängend einen Mantel, den er mitnehmen möchte. Eine Nymphe, gesungen von Jaroussky und getanzt von Kimball-Mentzos, bittet um Rückgabe, um in den Himmel zurückkehren zu können. Als Dank verspricht sie ihm einen Tanz. Als sie das Versprechen erfüllt, entschwindet sie.
Im ersten Stück, ‘Always Strong’, erscheint der im Streit ermordete Lautenist erneut am Hof, wobei sein Spiel, ehemals himmlisch und erotisch, nun freudlos ist. Der Mönch bietet dessen Laute als Opfer dar und zelebriert eine Messe, bei der der Geist des Verschiedenen die Laute berührt und langsam entschwindet.
In beiden Stücken wird der gemeinsame Titel bildhaft, denn nur der Klang bleibt zurück.
Eine Erzählung im engeren Sinn liegt diesen Stücken eher nicht zugrunde, sondern sie folgen der Idee des Nô-Theaters, den Geist zu entschleunigen und die Kontemplation zu fördern. Die Regie findet die Übersetzung in die Form der Oper.
« Musik ist meine Art, mich dem Göttlichen zu nähern », sagt die Komponistin. Sie schafft ein flutendes Gewebe aus Live-Musik und elektronischen Klängen als Umgebung für die Stimmen. Dadurch gelingt ihr eine hochintensive Welt, die den Zuhörer in ihren Bann zieht und gefangen nimmt. Ihre kurze und kompakte Kompositionsweise trägt ihren Teil zur Dichte bei. Dabei ist die Elektronik nicht ein Instrument, sondern reichert die Musik mit glühenden Strahlenkronen, rhythmischen und anderen Elementen an.
Die Rollen des Geistes und des Engels für Jaroussky werden konfrontiert mit denen, die der Bassbariton Davone Tines verkörpert, Priester und Fischer. Die dunkel timbrierte Stimme von Tines entwickelt im Gegensatz zu der hohen von Jaroussky einen geradezu erdigen Charakter. Dadurch gelingen wunderbar stimmungsvolle Momente.
Eija Kankaanranta mit der Kantele, einer finnischen Laute, Camilla Hoitenga mit ihren verschiedenen Flöten, Niek Kleinjan am Schlagwerk und das ‘Dudok (Streich) Kwartet’ zusammen mit dem Sängerquartett vom Niederländischen Kammerchor, alle geleitet von André de Ridder vor der Bühne, bestechen mit ihrem sich den Sphären der Stücke einbringenden Spiel. Auch Nora Kimball-Mentzos überwältigt mit ihren elegant kleinen Handbewegungen, mit anmutigen Schritten und Schwüngen. Unterstützt wird ihr Tanz von der Lichtführung.
Aus allen Blickwinkeln große Oper, wie sie nicht jeden Tag geboten wird.