Zweierlei fällt einem auf, wenn man sich die beiden ersten CDs der entstehenden Beethoven-Gesamtaufnahme des britischen Pianisten James Brawn (*1971) anhört: eine extreme Klarheit des Spiels, ein stupendes Nuancierungsvermögen auf allen Ebenen, dynamisch, farblich, bei den Tempi auch, und, daher kommend, ein sehr fein strukturiertes Interpretieren mit ungewöhnlichen Akzenten und in beiden Richtungen extremen Tempi, die bei anderen Pianisten zum Zerfall der Musik führen würden. Gewiss, ein so langsames Tempi wie jenes, das Brawn am Anfang der ‘Pathétique’ wählt, kann man diskutieren, aber das ist kein Fehler, denn die Musikinterpretation wäre arm, wenn man sich nicht mehr mit ihr würde auseinandersetzen können. Und was mich in der ‘Pathétique’ an dieser Stelle vielleicht etwas irritiert, wird im langsamen Satz der ‘Waldstein’-Sonate zur Beglückung. Denn dort gerät die Musik dank des langsamen Tempos in eine Art Schwebezustand von direkt magischer Wirkung.
Zu den Höhenpunkten der beiden Platten zähle ich auch den mondklaren langsamen Satz der Sonate op. 27/2, die frühen Sonaten Nr. 1 und 3, die nicht nur einfach so dahinstrolchen, sondern fein ausgedacht und strukturiert sind, sowie die ganze ‘Appassionata’, die wegen der Klarheit der Musiksprache zu einem ganz besonderen Erlebnis wird. Es ist, als spiele hier ein Pianist, der vorhabe, derjenige zu sein, der in einem Wettbewerb gewinnen würde, bei dem zu ermitteln wäre, wer denn nun die meisten Noten hörbar gemacht habe.
James Brawn’s performances show a very fine, subtle and extremely transparent playing with a lot of very personal and sometimes even highly original aspects. His sense for nuances in colors, textures and dynamics is exceptional. Without heavy and wild Beethoven thunderstorms and dramatic eruptions, Brawn goes a much nobler but, due to his sensitivity, not less interesting way.