Intimität mit Chopin
Eine wirklich beglückende Chopin-CD mit dem amerikanischen Pianisten Kevin Kenner hat Warner ins Programm genommen. Sein Recital mit der ‘Barcarolle’, Mazurken, dem Nocturne op. 62/2 und der 3. Sonate zeigt ihn als hoch sensiblen, fein nuancierenden Pianisten, der Intellekt mit Emotion in einer Weise mischt, dass man ständig den Eindruck des unmittelbaren Versinkens in die Musik hat. Das ist streckenweise so intim, dass man sich als Hörer fast als Eindringling bei diesem wunderbar persönlichen Dialog mit Chopin vorkommt. (Warner Classics 0190295635206)
Improvisationen über Beethovens Symphonien
Originell und spannend: Die Pianistin Galina Vracheva improvisiert auf 2 CDs über Beethovens Symphonien. Die schon 2010 entstandenen Aufnahmen begreifen Fantasien von allen Symphonien außer 1 und 2. Sie sind einfallsreich, hervorragend konzipiert und spannend von der ersten bis zur letzten Minute. Vracheva zeigt sich so als Meisterin im Improvisieren, einer Kunst, die heute viele Musiker gar nicht mehr beherrschen. (Solo Musica SM 280)
Hier Wasser, dort Luft
Als Dialog zwischen Luft und Wasser bezeichnen die Pianisten Vera Tsybakov und Romain Hervé ein originelles Debussy-Programm zwischen ‘Reflets dans l’eau’ und ‘Ce qu’a vu le vent d’Ouest’ und ähnlichen Themen, wobei jedes Element von einem Pianisten verkörpert wird: Vera Tsybakov ist das Wasser, Romain Hervé die Luft. Die beiden spielen mit großer Klarheit, dynamisch wie farblich fein nuanciert. Am Ende erklingt dann noch ‘La Mer’ in Debussys eigener Fassung für Klavier zu 4 Händen. Diese Aufnahme fordert natürlich den Vergleich mit Lucien Garbans Version für Klavier zweihändig heraus, und wenn Debussys zwangsläufig reichere Transkription pianistisch dem Duo mehr Möglichkeiten gibt, ist Garbans Fassung kohärenter und farblich interessanter, zumindest in der Aufnahme von Ralph van Raat (Naxos 8.573576). Die Aufführung, die auf dieser CD zu hören ist, ist insgesamt nervöser und dramatischer. (Paraty 118166).
Wenn Musik nervös macht…
Es mag nicht üblich sein, dass ein Rezensent ein neues Werk eines angesehen Komponisten nicht gut findet. Ich erlaube mir trotzdem, ganz offen zu sagen, dass ich mit Mark-Anthony Turnages Konzert für 2 Violinen und Orchester ‘Shadow Walker’ nicht anfangen kann. Die Musik hat sich mir weder beim ersten noch beim zweiten Abhören erschlossen. Hingegen hat sie mich ziemlich nervös gemacht. Ach, ich sollte vielleicht sagen, dass das Werk auf einer Onyx-CD mit immerhin Vadim Repin und Daniel Hope zu hören ist. Sie werden begleitet vom ‘Borusan Philharmonic’ aus Istanbul unter Chefdirigent Sacha Goetzel, die auf derselben CD eine ‘Symphonie fantastique’ von Berlioz abliefern, die insgesamt etwas grün wirkt. (Onyx 4188)
Mit Scheuermitteln…
Wenn Sie sich einen höchst ungewöhnlichen, auf der Basis des Originalmaterials der Prager Erstaufführung von 1787 aufgeführten ‘Don Giovanni’ anhören wollen, dann ist die Liveaufnahme mit dem Orchester ‘Silete Venti’ unter Simone Toni und den Sängern Christian Senn, Raffaella Milanesi, Renato Dolcini und Emanuela Galli das Richtige für Sie. Ein 30 Musiker starkes Orchester, dessen Klang mit Scheuermitteln und kräftigen Akzenten kratzig gemacht wurde, sowie Sänger, die das Letztmögliche an ‘Dramma giocoso’ mit Betonung auf ‘giocoso’ aus der Partitur herausholen: das Resultat ist außerordentlich in allen Hinsichten. Es wird Leute geben, die die Aufnahme als Karikatur ansehen….Und gerade das macht sie so spannend. Mozart in einer rücksichtslosen Vivisektion! (Warner Classics 019029571851-0)
Bisher unveröffentlichte Gulda-Aufnahmen
Nicht am Klavier, sondern am Clavichord hat Friedrich Gulda Ende der Siebzigerjahre Bachs Englische Suite Nr. 2, die Chromatische Fantasie und Fuge sowie eine Auswahl an Präludien und Fugen aus dem zweiten Band des ‘Wohltemperierten Klaviers’ aufgenommen. Der Klang des Clavichords ist speziell, die Tonqualität nicht besonders gut, aber was soll das schon ausmachen, wenn Gulda spielt. Gerade am Clavichord ist sein Bach extrem transparent, aufregend reich und natürlich energisch-frisch, mit einem Touch experimenteller Phantasie. (Berlin Classics 0301063BC)
Frühe Liebeslyrik
Motetten von Melchior Franck, weltliche Liebesgesänge des Thomaskantors Johann Hermann Schein und zwei Madrigale von Palestrina singt das Basler Vokalensemble ‘Voces Suaves’ unter der Leitung des Organisten Jörg-Andreas Bötticher, der auch einleitend auf der Orgel begleitet. Das Ensemble macht seinem Namen alle Ehre und bringt diese Liebeslyrik mit sinnlicher Klanglichkeit richtig zum Blühen. (Deutsche Harmonia Mundi 19075849752)