Stile auslotender Liederabend
Ihr Repertoire entwickelte die schweizerisch solide studierte, zuverlässige, divenfreie Edith Mathis von den lyrischen Partien Mozarts bis gereifteren Fach der Mozart-Gräfin. Auch feinsinnig in Lied und Oratorien machte sie sich einen Namen, weil sie durch Akkuratesse, musikalische Ausdruckskraft und mädchenhaft zarte Schönheit überzeugte. Das kann auch aus dem Mitschnitt eines Konzerts in Luzern 1975 erhört werden, der jetzt vorliegt. Ihr Repertoire reichte an diesem Abend von Mozart, Schumann, Wolf, Brahms, Strauss bis Bartok. Dabei fand sie nicht nur für jeden Komponisten, sondern auch für jedes Lied einen eigenen Ton, bei dem sie von Karl Engel am Klavier aufmerksam und selbstbewusst begleitend unterstützt wurde. (Audite 95.647) – ♪♪♪♪♪
Griechische Nachtvisionen
Michail Travlos ist ein griechischer Komponist, der auch einige Zeit in Berlin studiert hat, aber wieder nach Piräus zurückgekehrt ist. Seine neueste Aufnahme stellt Kammermusikwerke vor. Der Zuhörer erlebt unterschiedliche Stile. Robuste Technik und feine Verarbeitung des Materials sorgen für ein fragiles Gleichgewicht von Rationalität und Sentimentalität. Durch mikrostrukturelle Ausgangspunkte erschafft er Klanglandschaften. Dazu kommen verschiedene Besetzungen, nämlich Flöte, Klarinette und Vibraphon im namensgebenden Werk, das Klavier bei den Five Short Modern Jazz Studies und für die Seven Short Pieces ein Streichquartett. Die ausführenden Musiker sind alle auf neue Musik spezialisiert und bieten die Werke deshalb adäquat und einnehmend dar. (Phasma-Music 009) – ♪♪♪
Pygmalion in zwei sehr unterschiedlichen Arten
Sowohl Jean-Philippe Rameau als auch Georg Anton Benda haben sich des Themas Pygmalion angenommen. Während es sich bei dem Franzosen um ein Acte de ballett, also eine besondere Form der Oper handelt, schuf Benda ein Melodram. Beide Werke zeichnen sich durch Besonderheiten aus. Während Rameau der Musik eine zentrale Rolle in der Erzählung zuweist, kombiniert Benda die Musik mit einer Sprechstimme. Das auf dramatische Musik fokussierende Apotheosis Orchester lässt die facettenreiche Musik Rameaus nuancenreich aufleben und umrahmt so sehr gut den Text des Sprechers. Unter der Leitung von Korneel Bernolet entwickeln Orchester und Stimmen ein spannendes Gegenüber auch in Rameaus facettenreichem Werk. (Ramée RAM 1809) – ♪♪♪♪
A Bernstein Story – über den Mozart des 20. Jahrhunderts
Sebastian Manz, Soloklarinettist beim heutigen SWR Orchester und Bernstein Verehrer, sowie Sebastian Studnitzky, Jazzmusiker mit Klavier und Elektronik, haben eine CD mit dem Titel A Bernstein Story eingespielt. Sie haben erst im Studio zusammengespielt und sich vorher nur verbal ausgetauscht. Entstanden ist ein sehr jazzlastiges Album, das neben ausgewählten und veränderten Werken von Bernstein auch die seiner Vorbilder Hindemith und Stravinsky, von Steve Reich – dessen Minimalmusik sich schon in der Bernsteinsonate versteckt – sowie ein eigenes Werk von Sebastian und Sebastian enthält. Entstanden sind großartige Musikdialoge in kleinen Formen von zwei begnadeten Musikern, wenn auch eher Jazz als Klassik. (Berlin Classics 03011098C). – ♪♪♪♪♪
Ein Italiener in Berlin
Ferruccio Busoni, der Wahl-Berliner aus der Toskana, hatte als Komponist Gewichtiges zu bieten, konnte aber das Publikum dafür kaum erwärmen. Seine Musik schien den Traditionalisten zu modern, den Modernen zu konservativ, oder anders ausgedrückt, allzu streng und kühl und distanziert. Dieses Vorurteil mag, wer will, auch aus den beiden Sonaten und den Bagatellen für Violine und Klavier heraushören. Wer neutral oder interessiert zuhört, hört bei den Interpretationen von Fabrizio Falasca und Stefania Redaelli ein wohlklingendes Erlebnis mit ausgefeilten Interpretationen. Die kinderleichten und kindgerechten vier Bagatellen schaffen kleine Traumräume in typischen Gestaltungen für das jeweilige Sujet. Die beiden Sonaten, wenn auch aus jungen Jahren, sind dagegen vollwertige große Kompositionen, die ihren eigenen Stellenwert besitzen. (Brilliant Classics 95854) – ♪♪♪♪♪