Soviel sei vorweg genommen: Trotz blendender Leistungen wird der Name der Symphonie in diesen Interpretationen nicht ganz nachvollzogen. Die Interpretationen sind, was ihre Nachhaltigkeit angeht, nicht total unauslöschlich.
Doch die CD eröffnet mit dem Violinkonzert. Zwischen dem eröffnenden Akkordschlag des Orchesters und dem schließenden fortissimo-Akkord am Ende bietet das Violinkonzert dem Solisten reichlich Gelegenheit, sowohl lyrisch sanglich zu agieren wie auch handwerklich schwierige Aufgaben lösen zu müssen. James Ehnes geht diese Aufgabe mit Verve und klar gestaltetem Spiel an. Dabei lässt er nie außer Acht, auf einen ausdrucksvollen Ton zu achten. Und was die musikalische Durchdringung der Materie angeht, so muss er sich vor niemandem verstecken. Ob gefühlvolle langsame Aspekte oder virtuos unterfütterte schnelle Passagen, er liefert alle Seiten dieses Werkes mit Bravour ab. Auch in der vor anstatt üblicherweise nach der Reprise platzierten Kadenz, die auf Arpeggien hinausläuft und damit in diesen beiden Punkten an Mendelssohn erinnert, bietet Ehnes eine überzeugende Realisierung des Soloparts.
Das Bergen Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Edward Gardner ist dabei immer dicht an seiner Seite und sie entwickeln dann auch zusammen im zweiten Teil, im Allegro scherzando die von Nielsen beabsichtigte entspannte heitere Atmosphäre, die einen Oblomow unter nordischer Sonne zeigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich Solist und Orchester sich des Müßiggangs bemächtigen. Sie liefern eine bis zum Ende hochmotivierte und frische Interpretation ab.
Einen nordischen Charakter mag man auch in der vierten Symphonie hören. Der ergibt sich aber nur aus einer Klangatmosphäre und nicht aus Zitaten oder Anklängen an Volkslieder. In dieser Symphonie kommt noch der elementare Willen zum Leben zum Ausdruck. In seiner speziellen, zwischen Spätromantik und Expressionismus angesiedelten Tonsprache spannt Nielsen einen weiten Bogen. Diesen zeigt das Orchester aus Bergen großartig an. Von fast berstender Gewalt, die sich initial insistierend über die Zuhörer legt und am Ende zurückkehrt bis hin zu kammermusikalisch intimem, fast zärtlichem Miteinander spannen die Musiker diese Musik. Und das zeigen sie mit ebenso sensiblem Gestus wie machtvollem Gehabe.
Als Ensemble haben sie eine sehr hohe Spielkultur entwickelt, die keine Schwächen erkennen lässt. Brillanz, Präzision und Klangkultur fügen sich zu einem eminent plastischen Bild, das die Musik blühen lässt.
Gardner bietet geschmeidige Tempo, keine überzogenen, kostet auch Momente wie im Poco adagio aus. Gleichwohl ist die Symphonie sehr flüssig, dabei auch mit Akzenten, Stimmungen und Klangfarben gespickt. Wenn dann hier und da ein Aspekt weniger geschliffen klingt, dann mag man das gerne so nehmen. Aber das sind dann die Momente, in denen man die Referenzaufnahme von Blomstedt und dem Orchester aus San Francisco oder die jüngere vom Orchester des Hessischen Rundfunks mit Paavo Järvi dann eben doch noch einen Hauch mehr goutiert. Wer die Referenzaufnahmen nicht kennt, wird nichts vermissen.
This much should be said in advance: Despite dazzling performances, the Fourth Symphony’s name is not fully realized in these interpretations. The interpretations are not totally indelible as far as their lastingness is concerned. But the CD opens with the Violin Concerto. Between the orchestra’s opening chordal strum and the closing fortissimo chord at the end, the Violin Concerto offers the soloist ample opportunity to be both lyrically vocal and to have to solve technically difficult tasks. James Ehnes tackles this task with verve and clearly shaped playing. At the same time, he never neglects to pay attention to an expressive tone. And as far as the musical penetration of the material is concerned, he doesn’t have to hide from anyone. Whether soulful slow aspects or virtuosically underpinned fast passages, he delivers all sides of this work with bravura. Even in the cadenza placed before rather than usually after the recapitulation, which amounts to arpeggios and is thus reminiscent of Mendelssohn in both these respects, Ehnes offers a convincing realization of the solo part.
The Bergen Philharmonic Orchestra, conducted by Edward Gardner, is always close at his side, and they then develop together in the second part, in the Allegro scherzando the relaxed serene atmosphere intended by Nielsen, showing an Oblomov under the Nordic sun. This does not mean, however, that the soloist and orchestra indulge in idleness. They deliver a highly motivated and fresh interpretation right to the end.
A Nordic character may also be heard in the fourth symphony. However, it results only from a sound atmosphere and not from quotations or echoes of folk songs. In this symphony, the elemental will to live is still expressed. In his special tonal language, situated between late Romanticism and Expressionism, Nielsen spans a wide arc. The Bergen orchestra displays it magnificently. From almost bursting violence, which initially insistently lays itself over the listener and returns at the end, to intimate, almost tender chamber music, the musicians span this music. And they show this with a sensitive gesture as well as a powerful demeanor.
As an ensemble, they have developed a very high technical level that shows no weaknesses. Brilliance, precision and sound culture combine to create an eminently vivid picture that allows the music to blossom.
Gardner offers supple tempos, none exaggerated, savors even moments like in the Poco adagio. Nonetheless, the symphony is very fluid, peppered with accents, moods and timbres. If then here and there an aspect sounds less polished, then one may like to take it that way. But these are the moments when one appreciates the reference recording by Blomstedt and the San Francisco Orchestra or the more recent one by the Hessischer Rundfunk orchestra with Paavo Järvi just a touch more. Those who do not know the reference recordings will not miss anything.