Der 29-jährige deutsch-usbekische Pianist Nuron Mukumi stellte sein neuestes Projekt vor, eine Konzertreise nach Kyjiv im kommenden April. Dort tritt er erneut mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine auf: Am 9. April führen sie in Kyjiv im großen Saal der Nationalen Philharmonie das Klavierkonzert Nr. 5 von Ludwig van Beethoven auf. Bereits ab dem 6. April wird er in Kyjiv Meisterkurse für Musikstudierende geben.
Mukumi schreibt: « Ihr mögt Euch fragen, warum ich mich so mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine verbunden fühle. Das Nationale Sinfonieorchester der Ukraine ist mehr als nur eines unter vielen weltweit bekannten nationalen Sinfonieorchestern. Es ist das führende Orchester der Ukraine und das kulturelle Gesicht des Landes. Wenn es auf Tournee geht, repräsentiert es die gesamte ukrainische Kulturszene. Doch noch bedeutsamer ist seine Arbeit innerhalb der Ukraine selbst: Inmitten der Zerstörung und Unsicherheit gibt es den Menschen Halt, Hoffnung und Würde. Seine Konzerte sind oft von Sirenen der Luftabwehr unterbrochen. Die Musiker gehen dann gemeinsam mit dem Publikum in den Keller des Konzertgebäudes und setzen das Konzert dort fort. Musik wird so zu etwas Existenziellen, zu einem Moment des Lichts inmitten der Dunkelheit. Man kann sich kaum vorstellen, wie sehr diese Konzerte die Menschen emotional tragen und ihnen helfen zusammenzuhalten.
Seit Beginn des Angriffskrieges spielt dieses Orchester unter schwierigsten Bedingungen weiter – unermüdlich, trotzt der grausamen Realität des Krieges. Viele Musiker haben Freunde und Familienangehörige verloren, ihre Häuser wurden von Drohnen oder Raketen getroffen, Kinder einiger Orchestermitglieder kämpfen an der Front. Und doch stehen die Musiker auf der Bühne, weil sie wissen, dass Kultur mehr ist als Unterhaltung – sie steht für Identität, Widerstandskraft, Zivilisation und Menschlichkeit.
Ich selbst habe in den letzten vier Jahren zwölf Mal mit diesem Orchester musiziert und eine enge persönliche Verbindung aufgebaut. Unser erstes gemeinsames Konzert fand im Winter 2021 statt, als das Orchester auf Deutschland-Tournee war. Ich bin damals kurzfristig in Villingen-Schwenningen eingesprungen. Im November und Dezember 2022 waren wir gemeinsam auf Tournee in Österreich, Liechtenstein, der Schweiz und Deutschland. Während dieser Zeit habe ich viele Gespräche mit den Musikerinnen und Musikern geführt und war tief berührt von ihren persönlichen Geschichten. Nach der Tournee organisierte ich ein Benefizkonzert, dessen Spendeneinnahmen es mir ermöglichten, Generatoren und Beleuchtung für das Orchester zu kaufen – damit sie trotz winterlicher Stromausfälle in Kyjiv weiter proben und konzertieren konnten.
Im vergangenen Winter war ich erneut mit dem Orchester auf Tournee und hielt nach meinem Spiel eine Rede über die außergewöhnlichen Herausforderungen, mit denen diese Musiker tagtäglich konfrontiert sind und welche Bedeutung dieses Orchester für die Ukraine hat. Es war bewegend zu spüren, dass das Publikum jedes Mal Anteil nahm und eine eigene Verbindung mit dem Orchester aufbaute, die bis zum Ende eines jeden Konzerts und womöglich sogar darüber hinaus andauerte.
Das Orchester und sein Publikum sind in der Ukraine seit drei Jahren fast vollständig von ausländischen Künstlern isoliert. Um seine Musik mit der Welt zu teilen, an die Lage der Ukraine zu erinnern und die Verbindung zur internationalen Kulturszene nicht abreißen zu lassen, reist das Orchester seit Kriegsbeginn jedes Jahr für eine einmonatige Tournee nach Westeuropa: eine für das Orchester und die Ukraine so wichtige Konzertreise.