Nachdem das Eröffnungskonzert des Olive Classic Festivals auf der kroatischen Insel Pag am Freitag wegen eines heftigen Gewitters auf Samstag verschoben worden war, erlebte ein zahlreiches Publikum im Amphitheater des Olivenhains von Lun ein großartiges Konzert des Ensembles Esperanza. Remy Franck berichtet.
« Nur der Schönheit weiht ich mein Leben… » singt Tosca in einer alten, freien Übersetzung im zweiten Akt von Puccinis Oper. Es ist dies ein Motto, das nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen für sich beanspruchen kann. Dabei wären mehr Schönheit und mehr Sinn für Ästhetik für die Welt so wichtig. Eine Kongruenz von landschaftlicher und musikalischer Schönheit gibt es bei Olive Classic, das gestern Abend in den Olivengärten von Lun feierlich eröffnet wurde.
Doch auch die zutreffendere Übersetzung von ‘Vissi d’arte, vissi d’amore’, ‘Ich lebte für die Kunst, lebte für die Liebe’, kann man auf dieses Festival anwenden, denn Kunst- und Naturliebhaber kommen hier gleichermaßen auf ihre Kosten.
Die Olivengärten von Lun sind ein weitläufiges felsiges Gelände, das sich bis zur Küste erstreckt und einige der ältesten Olivenbäume ganz Kroatiens enthält.
Einmal durchs Portal gegangen, glaubte man in eine andere Dimension zu gelangen, das Gefühl von Zeit und Raum hinter sich lassend. Lange Strecken von Trockenmauern verteilen sich durch die Gärten mit ihren über 1000 Jahre alten Olivenbäumen. Das Wachstum geschieht natürlich, die Möwen fressen die Oliven und scheiden die Kerne aus, die zu neuen Bäumen heranwachsen. Anfangs sind es kleine Sträucher, die mit der Zeit zu majestätischen Exemplaren heranwachsen. Symbolisch stand ein eingetopfter kleiner Strauch auf der Bühne im Freilichttheater.
Das mehrfach preisgekrönte Ensemble Esperanza eröffnete das Konzert mit Edward Elgars Streicherserenade. In der feuchtschwülen Luft, auf einer akustisch völlig natürlichen Bühne ohne jeglichen Schallelemente, blieb der Klang durchaus nicht unangenehm trocken und von bestechender Reinheit. Für die Musiker ist das eine gefährliche Gratwanderung, denn in einer solchen Akustik hört man den kleinsten Ausrutscher. Der substanzreiche Klang von Esperanza litt jedoch keineswegs darunter und zeigte einmal mehr das sehr hohe Niveau des Ensembles. Insbesondere das Larghetto der Elgar-Serenade wurde überirdisch schön gespielt. Bei diesen Klängen, die in eine sternenklare Nacht entschwebten, war es wohl unmöglich, nicht an Joseph von Eichendorffs ‘Mondnacht’ zu denken: « Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst… »
Der kroatische Fagottist Matko Smolcic, Young Artist of the Year der International Classical Music Awards (ICMA) war in Antonio Vivaldis Fagottkonzert RV 484 zu hören. Technische Meisterschaft, ein wunderbar weicher und warmer Klang, Kantabilität wie auch Virtuosität machten dieses Konzert zu einem wunderbaren Erlebnis.
Danach war der 26-jährige ukrainische Pianisten Dmytro Choni der Solist in Chopins Zweitem Klavierkonzert in einer Fassung für Streicher und Klavier. Choni, der 2018 die Goldmedaille bei der Paloma O’Shea Santander International Piano Competition in Spanien und im Januar 2019 die Goldmedaille beim Bösendorfer-Wettbewerb in den USA gewann, überzeugte mit einem schlanken und geschmeidigen Spiel, das sehr lebendig von Esperanza begleitet wurde. Immer bedeutungsvoll – aber ohne jede Übertreibung – war es ist von großer Wärme geprägt, ohne je süßlich zu werden, auf eine sehr natürliche Art seelenvoll. Von der Klarheit, aber auch der Poesie in Chonis agogisch wie farblich reichem Spiel kann man nur schwärmen. Das Publikum reagierte entsprechend begeistert und erklatschte sich eine brillant gespielte Fledermaus-Fantasie als Zugabe.