Der Schweizer Pianist Oliver Schnyder stellt die Expressivität der Goldberg-Variationen in den Mittelpunkt. Er nimmt sich sehr viel Zeit, seine Interpretation dauert rund 75 Minuten, schärft aber weitaus deutlicher die Gegensätze innerhalb der Variationen. So werden die 10 Dreiergruppen deutlich voneinander abgehoben, die schnellen Tänze werden sehr schnell, rhythmisch und virtuos gespielt, während andere Teile eine unheimliche Tiefe im Ausdruck erreichen.
Schnyder geht dabei vielleicht noch weiter als Andras Schiff, der immer versucht, die verschiedenen Aspekte klanglich miteinander in Gleichklang zu bringen oder Lang Lang, der in jeder Variation quasi die transzendentale Schönheit sucht. Doch auch Schnyders Interpretation bleibt im Gleichgewicht, in einem Gleichgewicht der Kontraste, wo jeder Ton, jede Klangentwicklung passt.
Die überragende Tontechnik erzeugt einen sehr plastischen, analytischen und klaren Klang, wie man ihm im Konzertsaal nie zu hören bekommt. Doch Schnyder ist sich natürlich, dass Tonstudio und Konzertsaal zwei verschiedene Welten sind. Hier rückt er dem Wunderwerk Goldberg-Variationen auf den Leib und seziert mit chirurgischer Präzision die melodischen und strukturellen Linien, ohne dabei den musikalischen Fluss und den expressiven Gehalt aus den Augen zu verlieren. Ohne Zweifel eine der faszinierendsten Aufnahmen des BWV 988 der letzten Jahre.
The Swiss pianist Oliver Schnyder focuses on the expressiveness of the Goldberg Variations. He takes a lot of time, his interpretation lasts about 75 minutes, but sharpens far more clearly the contrasts within the variations. For example, the 10 groups of three are clearly set apart, the fast dances are played very quickly, rhythmically and virtuosically, while other parts achieve an uncanny depth of expression.
Schnyder perhaps goes even further than Andras Schiff, who always tries to bring the different aspects tonally into harmony with each other, or Lang Lang, who quasi seeks transcendental beauty in each variation. But Schnyder’s interpretation also remains in balance, in a balance of contrasts, where every note, every sound development fits.
The superior sound engineering produces a very plastic, analytical and clear sound, the likes of which one never hears in the concert hall. But Schnyder is of course aware that recording studio and concert hall are two different worlds. Here he gets right to the heart of the marvel that is the Goldberg Variations, dissecting the melodic and structural lines with surgical precision without losing sight of the musical flow and expressive content. Without a doubt one of the most fascinating recordings of BWV 988 in recent years.