Die Oper Bonn will im Rahmen einer eigenen Reihe bis mindestens Sommer 2023, aber wohl auch darüber hinaus, der Frage nach den Mechanismen des Vergessens oder Bewahrens von Musikwerken mit geweitetem Blickwinkel besonders intensiv nachgehen.
In dem szenischen und wissenschaftlichen Rechercheprojekt FOKUS ’33 – Forschungsreise zu den Ursachen von Verschwinden und Verbleiben will das Opernhaus in einer deutlich vergrößerten Zahl von Produktionen Werke zur Diskussion stellen, die nach 1933 oder ab 1945 aus den Spielplänen verschwanden oder in diesem Zeitraum entstanden und erst danach überhaupt zur Uraufführung gelangten – aus Gründen, die wiederum mit jenen Faktoren zu tun haben, die sowohl mit den Mitteln des Musiktheaters wie auch der begleitenden Wissenschaften untersucht werden sollen.
Es kommen zur Aufführung Werke von Alberto Franchetti, Clemens von Franckenstein, Rolf Liebermann, Giacomo Meyerbeer, Arnold Schönberg, Franz Schreker, Richard Strauss und Kurt Weill. Parallel wird in Ausstellungen und Vorträgen nach den Ursachen von Verschwinden und Verbleiben geforscht.
Die kommenden Produktion dieser Reihe startet ab dem 13. März mit Giacomo Meyerbeers Ein Feldlager in Schlesien, einem Singspiel in drei Akten in Lebensbildern aus der Zeit Friedrichs des Großen auf einen Text von Ludwig Rellstab nach einem Entwurf von Eugène Scribe.
Es ist dies die wahrscheinlich erste Wiederaufführung dieser Oper seit nahezu hundertdreißig Jahren.
Es ist, so schreibt die Oper Bonn, « ein zur Wiedereröffnung des Königlichen Opernhauses in Berlin nach dem großen Brand von 1843 komponiertes Festspiel mit Szenen aus dem Leben des nicht auftretenden Friedrich II., mit dem der preußische Generalmusikdirektor Meyerbeer nicht nur die Hohenzollern, sondern auch die Oper hochleben ließ. Der Gestus des Nationalen ist in diesem Werk mit seinen bei der Uraufführung beschließenden lebenden Bildern ausgeprägt wie bei keinem deutschsprachigen Musiktheaterwerk zuvor. In der Umarbeitung für Wien unter dem Titel Vielka war das Stück noch eine Weile auf den Spielplänen zu finden; Meyerbeer arbeitete auch für die 1854 in Paris uraufgeführte Oper L’Etoile du Nord einige Nummern aus dem ‘Feldlager’ ein, insgesamt schien aber das Original für das Musiktheater verloren. »
Im Auftrag des Berliner Ricordi Bühnen- und Musikverlags, der die wissenschaftlich kritische Gesamtausgabe der Opern Meyerbeers herausgibt, hat der Meyerbeer-Experte Volker Tosta eine Neuedition von Ein Feldlager in Schlesien erarbeitet. Sie wird in Bonn zum ersten Mal seit ihrer Uraufführung wieder einem Publikum präsentiert.
Bei der Oper Bonn heißt es: « Es stellt sich, mit Blick auf das einstmals so unvergleichlich erfolgreiche Schaffen Giacomo Meyerbeers allgemein, aber auch auf den besonderen Fall des ‘Feldlagers’, wie so häufig die Frage, warum das Verschwinden über den nazistischen Rassenwahn hinaus derart billigend nach 1945 hingenommen wurde. Für den heutigen Regisseur Jakob Peters- Messer, der bereits die Urfassung von L’Africaine zur Uraufführung gebracht hat, stellt das Stück damit eine ganz besondere Herausforderung dar, weil bei der Rezeption das auf Verleumdung und Rassenwahn basierende Verschwinden von Meyerbeers Musik immer im Bewusstsein ist.
Diese Produktion wird von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet und am 30. April 2022 um 19:05 übertragen.