Während das Orchester das des Hauses, also das ‘Orchestre Philharmonique du Luxembourg’ war, gaben sich ansonsten viele Gäste die Ehre in der Philharmonie. Neben dem Dirigenten Hans-Christoph Rademann waren es die Sänger Johanna Winkel, Daniel Behle und Markus Eiche, der für den verhinderten Michael Nagy einsprang. Und natürlich nicht vergessen sollte man die rund 60 Sängerinnen und Sänger der Gächinger Cantorei, meint Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch.
Ein langer Abend war vorherzusehen, weil das Oratorium Paulus von Mendelssohn-Bartholdy angesetzt war. Dass so ein langes Konzert trotz es erforderlichen Sitzfleisches im Publikum Freude bereitet und keineswegs zur Qual werden muss, bewiesen die vereinten Interpreten an diesem Abend.
Das erste Oratorium von Mendelssohn, dass das frühchristliche Geschehen um die Steinigung des ersten Märtyrers, Stephanus, durch streng gesetzestreue Juden und auch den blinden Eifer des ebenso veranlagten Saulus von Tarsus behandelt, der erst durch die dreimalige Erscheinung des Auferstandenen geläutert und zum Missionar des Christentums wird, basiert komplett auf biblischen Texten. Das Spannungsfeld der Religionen ist zugleich der persönliche Aspekt, der für Mendelssohn als Christ in jüdischem Umfeld eine Rolle spielt. Von Anfang an höchst beliebt beim Publikum begründet das Werk eine neue Hochphase bei Oratorienkompositionen, die insbesondere die Werke von Händel genau kennt und trotzdem einen eigenen Weg findet. Aber auch die Nähe zu Bach und seinen großen Oratorien ist nicht zu überhören.
Eine namhafte Riege von Gästen umrahmte das OPL, das mit kleinerer Streicherbesetzung das Konzert spielte. Auf dem Dirigentenpult agierte Hans-Christoph Rademann, der eine reiche Erfahrung als Leiter von Chören und auch von Orchestern hat. Sein Dirigierstil ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, insbesondere für Orchestermusiker. Mit groß angelegten und mehr malenden als markierenden Bewegungen des Körpers und vor allem der Arme schafft er eine optisch aufmerksamkeitsheischende Position. Dieser mehr auf einen Chor als ein Orchester ausgerichtete Stil ist, auch weil Rademann nur mit den Händen ohne Stab dirigiert, weicher und organischer als bei manchem anderen Dirigenten. Das erfordert dann größere Aufmerksamkeit bei Chor und Orchester, die die fließenden Bewegungen auffangen müssen. Auch der Wechsel zwischen linker und rechter Hand als metrumgebend oder Interpretation ist ungewöhnlich. Trotz dieser eigenwilligen Herangehensweise erzielte Rademann ein durch und durch geschlossenes Klangbild, dass die Struktur des Werkes ebenso offenlegt wie sie singen lässt.
Die Gächinger Cantorey war mit ihrem Choranteil, nicht jedoch mit dem gleichnamigen Orchester, am Konzert beteiligt. Nach einer Neustrukturierung leitet Rademann diese Cantorey seit einigen Jahren und führt sie auch weiterhin zu herausragenden Konzert- und Aufnahmehöhen. Das etwa 60-köpfige Ensemble der Sängerinnen und Sänger agierte mit einer nicht nachlassenden Aufmerksamkeit und Akkuratesse durch den mehr als zweistündigen Paulus. Egal, ob im Tutti oder den auch geteilten Stimmen und sogar mit Solisten aus dem Chor, bot die Cantorey Chormusik von allerhöchster Präsentationskultur, die dieses Ensemble zum heimlichen Star des Abends in der Reihe der Wohltätigkeitskonzerte, in dem dieses Konzert ebenfalls zugeordnet war.
Eben auch als Konzert der Reihe ‘Grandes voix´ bot dieser Abend drei singende Solisten. Die Sopranistin Johanna Winkel, der Tenor Daniel Behle und der eingesprungene Markus Eiche als Bassist. Diese drei Solisten wie auch die aus dem Chor präsentierten ihre Partien mit sehr deutlicher Artikulation und schlackenfreiem Ton, der die Farben der Komposition ausfüllte.
Johanna Winkel mit ihrer warmen sowie schlanken und grazilen Stimme kostete ihren Part nicht ganz frei aus, sondern bremste beispielsweise die Jerusalem-Rufe ein wenig ein. Das hatte den Vorteil, dass sie ein sehr angenehmes feines Timbre hören liess und deswegen nicht, wie es bei auftrumpfenden Sopranen vorkommt, anstrengend divenhaft klang. Im zweiten Teil muss sie mit einem sehr hartnäckigen Hustenreiz kämpfen. Sie löste diese Herausforderung elegant und professionell, was nicht verhinderte, dass sie nur mit kleinen Beeinträchtigungen ihre Partie beenden konnte. Das störte den Gesamteindruck aber nicht.
Daniel Behle hat eine lyrische Tenorstimme. Er verbindet ein klares Timbre mit seinem sehr direkten Umgang mit der Sprache, so dass sein Gesangsstil sehr natürlich klingt. Seinen recht begrenzten Anteil am Ganzen löste er überzeugend ein.
Markus Eiche, für den verhinderten Michael Nagy eingesprungen, hatte das selbstbewussteste Auftreten in diesem Solistenkreis. Sein Gesang dagegen passte sich mit dosierter Gestaltung in den Kontext ein. Sein Ton wirkte voll, aber nicht pompös, so dass er der Stimme des Paulus die Coleur verlieh, die eine überzeugende Position der Person erlaubte.
Das Oratorium Paulus von Felix Mendelssohn Bartholdy war von Anfang an beim Publikum beliebt. Eine in sich so geschlossene und mit hochkarätigen Leistungen gewürzte Wiedergabe macht dies nicht nur deutlich, sondern belebt die Begeisterung neu in unserer Zeit. Mit anhaltendem und deutlich Zustimmung zu dieser Interpretation signalisierendem Applaus entließ das Publikum alle Künstler am fortgeschrittenen Abend hinter die Kulissen und sich selbst auf den Heimweg.