Unter der Leitung ihres Landsmanns Andris Nelsons spielt Baiba Skride Shostakovichs Erstes Violinkonzert in einer ungemein eloquenten und packenden Interpretation. Das substanzreiche Spiel der Geigerin, mal soft, mal kraftvoll-energisch findet ihren nicht weniger rhetorischen und aussagekräftigen Klangmantel im Gewandhausorchester Leipzig. Das Nocturne, mit dem das Werk beginnt, wird so zu einem eindringlichen Beginn für ein facettenreiches Werk, in dem die Violine aber nie zum dominanten Instrument wird. Das Scherzo ist leicht und agil, die Passacaglia leidenschaftlich und die Burleske brillant und hinreißend.
Und so hundertprozentig man die Shostakovich-Darbietung als hervorragend und empfehlenswert bezeichnen muss, so wenig überzeugend ist letztlich Nelsons’ Interpretation der 5. Symphonie von Piotr Tchaikovsky.
Gewiss, der Dirigent arbeitet sehr viel Details heraus, lässt uns hie und da etwas hören, was man vielleicht noch nie derartig formuliert hören konnte, sowohl was die Farben wie auch die wechselnden Tempi angeht. Aber manches wirkt doch etwas manieriert und aufgesetzt, um nicht zu sagen sentimental und über-blumig, umso mehr, weil die Spannung mehrmals deutlich nachlässt. Das kommt im Übrigen wohl daher, dass Nelsons den Details zu viel Aufmerksamkeit schenkt und das Ganze dabei aus dem Blick verliert. Für den Hörer ist es anstrengend. Gerade hat man sich in die Musik vertieft und beschäftigt sich mit interessanter Deutung, und dann ist sie schon wieder flach wie ein Parkettboden.