Das von der Pharmaunternehmerin Nicole Bru in Venedig finanzierte ‘Palazzetto Bru Zane – Centre de musique romantique française’ widmet sich dem Komponisten Félicien David und organisiert vom 5. April bis zum 17. Mai ein Kammermusik-Festival in Venedig. Bereits am 8. März erfolgt die Wiederentdeckung der Oper ‘Herculanum’ in der Königlichen Oper von Versailles. Eine Direktübertragung auf ‘France Musique’ ist vorgesehen, genau wie auch eine spätere Veröffentlichung auf CD. ‘Herculanum’, uraufgeführt am 4. März 1859 an der Pariser Oper, wird in Versailles musikalisch geleitet von Hervé Niquet. Neben den Solisten Véronique Gens, Karine Deshayes und Edgaras Montvidas sind das ‘Brussels Philharmonic’ und der ‘Vlaams Radio Koor’ zu hören. Sie wollen mehr über Herculanum’ wissen? Lesen Sie weiter…
Bekannt geworden war Félicien David durch den Erfolg von ‘Le Désert’, eine im Dezember 1844 am ‘Théâtre Italien’ in Paris uraufgeführte ‘symphonische Ode’. Die Pariser Neuaufführung des Werkes im Jahr 1845 erbrachte phänomenale Einnahmen, und während des darauffolgenden Jahrzehnts wurde es in nahezu allen Städten Frankreichs auf den Spielplan gesetzt.
Ab 1850 wandte sich David den Opernbühnen zu. Am ‘Théâtre National’ stellte er zunächst die komische Oper ‘La Perle du Brésil’ (1851) vor, in der er den Lokalkolorit mit den in ‘Le Désert’ verwendeten Stilelementen verband. Nach diesem ersten Versuch beschloss der Komponist, den Gipfel des französischen Opernschaffens – die Pariser Oper und das Genre der Großen Oper – zu erstürmen und auf diese Weise auf sich aufmerksam zu machen. Seine dem Saint-Simonismus zugewandten Freunde ließen ihm bedeutende finanzielle Zuwendungen zukommen und riefen sogar zu Spenden auf, um ihn « von den Sorgen des täglichen Broterwerbs“ zu befreien und ihm « zu ermöglichen, sich mit freiem Geist und leichtem Herzen seiner Berufung zu widmen“.
Auch wenn das Sujet von ‘Herculanum’ mit der Ideologie des Saint-Simonismus wenig gemein hat, sollte Davids Triumph auf einer der größten Bühnen Europas positive Auswirkungen auf die gesamte Lehre haben.
‘Herculanum’ gehört zu den letzten Werken der französischen Großen Oper und reiht sich ein unter die Hauptwerke von Rossini, Halévy und Meyerbeer. Gleichzeitig zeugt das Werk von der durch Verdi eingeleiteten musikalischen Revolution, die zunehmend Einfluss auf die französische Opernszene ausübte (‘Les Vêpres Siciliennes’ wurde im Juni 1855 in Paris uraufgeführt).
Wie in ‘La Magicienne’ von Halévy (Uraufführung im Jahr 1858) und im Einklang mit der politischen Einstellung von Kaiser Napoleon dem Dritten ist das Libretto klar auf die Entwicklung des Christentums ausgerichtet. Der Ausbruch des Vesuvs, bei dem im Jahr 79 Herculaneum,
Pompeji und Stabiae untergingen, wird hier als Ergebnis der Dekadenz der antiken Gesellschaft und der Verfolgungen, denen die ersten Christen ausgesetzt waren, dargestellt.
Das Libretto von Joseph Méry und Térence Hadot legt Wert auf spektakuläre Effekte. Die luxuriösen Kostüme, Requisiten, Bühnenbilder, Maschinerien und Tänze veranlassten Berlioz in seinem Feuilleton im ‘Journal des débats’ (12. März 1859) zu folgender Feststellung: « Ich glaube nicht, dass es an der Oper jemals etwas Prunkvolleres als die Inszenierung von ‘Herculanum’ gegeben hat.“
Die Partitur von David überraschte zahlreiche Journalisten durch ihre Fülle und die feierlichen Akzente eines Stils, der sich deutlich von der symphonischen Exotik, die dem Schöpfer von ‘Le Désert’ nachgesagt wird, abhebt. Unzählige Szenen wurden von der Kritik bejubelt, so die Verführung des Helios im ersten Akt, der zweite Akt mit seinen Reminiszenzen an Schubert, die Ballettmelodien im dritten Akt und vor allem das lange Duett von Helios und Lilia im letzten Akt.
Die Begeisterung des Pariser Publikums war noch deutlicher als die der Presse. Nach 64 Aufführungen im Zeitraum von 1859 bis 1862 wurde ‘Herculanum’ 1868 erneut für zehn Aufführungen in den Spielplan aufgenommen. Ohne die Triumphe von Meyerbeer (dessen sämtliche Werke für die Pariser Oper zwischen 1830 und 1914 annähernd 3.000 Mal aufgeführt wurden) erreichen zu können, übertraf der Erfolg des Werkes von David bei Weitem die Erfolge der ersten Opern von Gounod oder von Berlioz
Dieses Werk ist das einzige, das der Komponist für die Pariser Oper schrieb. In der Folge bevorzugte er die Komposition von komischen Opern. Dennoch ermöglichte ihm ‘Herculanum’, den von ihm ersehnten offiziellen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Im Jahr 1862 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und 1869 in das Institut de France aufgenommen, wo er die Nachfolge von Hector Berlioz antrat.