Mehr als vierzig liegen zwischen der ersten und der vierten Symphonie von Arvo Pärt. Doch das ist nicht nur ein Zeitraum, sondern auch eine Entwicklung durch verschiedene kompositorische Phasen. Begonnen hat er in den Sechzigerjahren als Avantgardist. Aus dieser Phase d stammen die ersten beiden Symphonien. Die Erste ist trotz der Zwölftontechnik in eine beinahe neoklassizistische Form gepackt. Bereits in der Zweiten Symphonie findet eine weitere Entwicklung statt, in der die Aleatorik bis hin zu Geräuschhaftem das Serielle klanglich überlagert.
Etwa ein Jahrzehnt später folgt die Dritte mit neuem Ansatz. Gregorianisch klingende Einstimmigkeit, Kadenzen wie in der Renaissancepolyphonie, eher leise und nachdenkliche Töne statt Klangballungen prägen dieses Werk der Einfachheit. Dann dauert es mehr als fünfunddreißig Jahre, bis die Vierte entsteht. Inzwischen hat Pärt seinen Tintinnabuli-Stil entwickelt, der seine späteren Kompositionen unverwechselbar prägt. Die Vierte ist meditativ und beruht auf kirchenslawischen Gebeten, die zu einem Klagegesang der Streicher führen.
Die vollständige Einspielung dieser vier Werke unter der Stabführung von Tonu Kaljuste mit dem Breslauer Orchester zeigt eine hochkonzentrierte, mitreißende Deutung. Kaljuste arbeitet die Bewegungsimpulse und weitere Details heraus, so dass eine ausgefeilte Interpretation entstanden ist. Trotz der unterschiedlichen Stile der vier Werke schaffen Kaljuste und die Breslauer Musiker eine geschlossene Gesamtdarstellung, die diesen Aspekt des Schaffens von Pärt mustergültig anbietet.
Man kann Kaljuste als Kenner der Musik von Arvo Pärt ansehen. Vielleicht ist die orchestrale Qualität bei einzelnen Vergleichsaufnahmen noch besser. Aber der weniger volle und damit klarere Klang der Breslauer legt die Strukturen frei und wirkt auf seine Art ursprünglicher, wie ein Stück unbearbeitetes Holz, das durch seine Natürlichkeit und die Haptik gefällt. Allemal übt diese Deutung einen Reiz im Sinne des Archaischen und Mystischen aus, was gut zu Pärt passt.
Arvo Pärt’s four symphonies show all major steps of his musical development, up to his personal Tintinnabuli style. With a very clear and detailed playing, Tonu Kaljuste and the Wroclaw Philharmonic present a stirring and exemplary interpretation.