Paul Hindemith, dessen Todestag sich heute, am 28. Dezember, zum 50. Mal jährt, gehört zu den bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Die Ehrlichkeit seiner Haltung und seiner kompositorischen Aussage, die Ausgewogenheit zwischen, wie einmal gesagt wurde, « barocker Musizierlust, klassischer Maßhaltung und romantischer Individualität », ergeben einen modernen Künstlertypus, der zeitlos wird durch die Kraft seines Schaffens.
Am 16. November 1895 in Hanau bei Frankfurt geboren, erwarb sich Hindemith schon vor seinem Eintritt in das Hoch’sche Konservatorium in Frankfurt am Main ein außerordentlich vielseitiges instrumentales Können. Nach seinem Studium wurde er mit 20 Jahren zum Konzertmeister des Frankfurter Opernorchesters berufen. Bis auf eine kriegsbedingte Unterbrechung in den Jahren 1917/18 engagierte sich Hindemith außerdem jahrelang aktiv für das Spiel im Streichquartett.
In den 20er Jahren machte Hindemith durch seine Auftritte mit dem Quartett sowie durch eigene Kompositionen bei den Donaueschinger Musikfesten nachhaltig auf sich aufmerksam. Der Name Hindemith wurde erstmals gleichrangig neben den eines Stravinsky und eines Milhaud gestellt.
1927 wurde Hindemith zum Leiter der Kompositionsklasse an die Berliner Hochschule für Musik berufen. Gleichzeitig entwickelte er seinen persönlichen Stil zum großen Werkstil weiter für den die Oper ‘Mathis, der Maler’ (1934) im Mittelpunkt stand.
Als Gegner des Subjektivismus in der Kunst prägte Hindemith seinen eigenen, neoklassizistischen Stil und erweiterte gleichzeitig das Gefüge alter Harmoniegesetze. Die Form des Concerto grosso erhielt durch Hindemith neues Leben, die hohe Kunst der Variation blühte wieder auf, den großen Oratorien wurde Neues zur Seite gestellt (‘Das Unaufhörliche’, nach Gottfried Benn) und die Welt der Oper wurde mit ‘Mathis der Maler’ um ein Werk bereichert, das neben Pfitzners ‘Palestrina’ zu stehen berechtigt ist.
Auch die symphonische Form (Bostoner Symphonie, Nobilissima Visione u. a.) ist Paul Hindemith geläufig, wie überhaupt die absolute Musik – von der Kammermusik ausgehend, die er immer praktiziert hat – einen beachtlichen Teil seines Schaffens einnimmt (seine Vorliebe zur Bläserbesetzung ist bekannt).
Nach der Machtübernahme durch die Nazis im Januar 1933 wurde Hindemith Zielscheibe von Attacken reaktionärer Kreise. Er wurde als « Bannerträger des Verfalls » bezeichnet, seine Musik als « kulturbolschewistisch », weil er mit seinen als Juden gebrandmarkten Kollegen Simon Goldberg und Emanuel Feuermann Trio spielte, und weil seine Frau Gertrud als Halbjüdin galt. Dennoch wurde er im Februar 1934 wird er in den Führerrat der Reichsmusikkammer gewählt. Doch die erfolgreiche Uraufführung der Sinfonie Mathis der Maler durch Wilhelm Furtwängler und die Berliner Philharmoniker entfacht im März 1934 einen heftigen Meinungsstreit. Als Hindemiths Freund Wilhelm Furtwängler am 25. November 1934 in seinem Zeitungsartikel ‘Der Fall Hindemith’ für Hindemith eintrat, sah sich Joseph Goebbels veranlasst, Stellung zu beziehen. In einer Rede vor der Reichskulturkammer am 6. Dezember 1934 diffamierte er Hindemith als « atonalen Geräuschemacher » und stellte fest: « Denn der Nationalsozialismus ist nicht nur das politische und soziale, sondern auch das kulturelle Gewissen der Nation. […] Das musste gesagt werden, um in dem Widerstreit der Meinungen Klarheit zu schaffen. » Daraufhin drängten die Nationalsozialisten Hindemiths Werk in zunehmendem Masse von den Spielplänen, weshalb sich der Komponist immer mehr dem Ausland zuwandte. 1935 hielt sich längere Zeit in der Türkei auf, um dort das Musikleben neu zu organisieren. 1936 erhielten Hindemiths Werke offiziell Aufführungsverbot in Deutschland. 1938 ging der Komponist ins Exil. Nach Zwischenaufenthalten in der Schweiz und in Ankara siedelte er 1940 in die USA über. Dort bekleidete er eine Professur für Komposition an der Yale University. Ausgedehnte Konzertreisen führten ihn um die ganze Welt. Anfang der Fünfzigerjahre kehrte er für seine letzten Lebensjahre in die Schweiz zurück.
Hindemith, der heute immer noch ungenügend im Konzertleben vertreten ist, ist mehr als Komponist mit großem handwerklichen Können. Seine Musik beeindruckt auch durch ihr geistiges Format. Wie sehr dies bis in ethische Bezirke reicht lässt sich aus der Rede zum Antritt seiner Professur an der Universität Zürich am 24. November 1951 sagen: « … der tiefste Grund für diese Demut wird in des Musikers Seele der Glaube sein, dass jenseits allen rationalen Wissens und aller Handwerkserfahrung, jenseits alles, was er in seiner Laufbahn angesammelt hat, eine Region visionärer Irrationalität liegt, in der die endgültigen Geheimnisse der Kunst wohnen, gefühlt, doch nicht verstanden, beschworen, doch nicht befohlen, sich neigend, doch nicht sich hingebend. Er kann diese Region nicht betreten, er kann nur beten, dass er zu einem Verkünder ihrer Herrlichkeiten, die er in Visionen zu schauen erwählt war, bestimmt sein möge. »