Unter dem Titel Rudolf Barshai Anniversary Edition gibt das russische Label Melodiya zum zehnten Todestag des Musikers feine Kassette mit fünf CDs heraus, die den großen russischen Musiker Rudolf Borisovich Barshai ehrt. Diese Sammlung zeigt ihn in allen Facetten seines Schaffens, sowohl als solistischen Bratscher als auch als Kammermusiker, als Begründer und Leiter des Moskauer Kammerorchesters und mit Einspielungen solcher Werke, die er für Orchester gesetzt hat, wie die Kunst der Fuge von Bach und die Visions fugitives von Prokofiev.
Zunächst einmal muss man vor der Klangqualität der schon betagten Aufnahmen keine Angst haben. Die russischen Techniker haben hier mit großer Sorgfalt ein störungsfreies Klangbild geschaffen, das, wie nicht anders zu erwarten, etwas an klanglicher Brillanz vermissen lässt, ansonsten aber einen lebendigen Höreindruck vermittelt.
Eröffnet wird der Reigen der Zweiten Partita für Violine von Bach, hier natürlich auf der Viola dargeboten. Die etwas ruhiger wirkende Interpretation nimmt vielleicht Rücksicht auf das geringfügig größere Instrument, erlaubt dadurch aber eine durchleuchtete Sicht, die allenfalls mit leichten Temporückungen aufhorchen lässt. Das ist eine Deutung mit Herz und Verstand. Weniger bekannt dürfte das Bratschenkonzert im Stile Händels von Henri Gustave Casadesus sein, bei dem das Moskauer Kammerorchester erklingt. Mit fast swingend freudigem Spiel steht das Werk im Gegensatz zur folgenden Trauermusik von Hindemith. In beiden Werken zeigt Barshai den Bratschenpart in der Mischung aus klangvoller tiefer Tönung und trotzdem auch brillantem Ton.
In der Sinfonia concertante von Mozart nehmen die Interpreten (David Oistrach und Rudolf Barshai) das Maestoso in der Satzbezeichnung Allegro maestoso ungewohnt deutlich, so dass sich das Wechselspiel der Solisten in aller Sorgfalt entwickeln kann und eine besondere Intensität erhält. Im dritten Quartett von Shostakovich, das Barshai als Kammermusiker im Tchaikovsky Quartett zeigt, nimmt er eine führende Rolle ein. Diese Aufnahme beeindruckt vielleicht trotz ihrer Meriten am wenigsten.
Auf der dritten CD, die ausschließlich dem Dirigenten Barshai gewidmet ist, zeigen er und sein Moskauer Kammerorchester die ganze Sorgfalt delikat und sorgfältig formulierter Musikdarstellung, die sich einfach auf die Darstellung der Werke verlässt und nicht nach Effekten haschen muss. Die beiden Stücke von Stravinsky, das Concerto in D und Dumbarton Oaks, zeigen mit eher sanfter Strenge mehr den Fortschreiber der Musikgeschichte als den Fortentwickler. Die beiden letzten Scheiben bieten neben dem Dirigenten seines Orchesters auch den Arrangierenden mit der Kunst der Fuge und den Visions fugitives. In beiden Aufgaben agiert Barshai eher sorgfältig und evolutionär als aufreizend und revolutionär. Die Kunst der Fuge hat ihn zwei Jahrzehnte begleitet, bis er seine Sicht vollendet hatte. Dabei wird seine Idee deutlich, das Kammerorchester vom Streichquartett her zu gestalten und einen einheitlichen Denk- und Spielansatz zu erzeugen. Zum Abschluss erklingt noch mal Bach, Präludium und Fuge es-Moll aus dem wohltemperierten Klavier.
So zeigt diese Sammlung einen uneitel ganz auf die Musik gerichteten Künstler, der prägend für seine Zeit und Umgebung war.