Sie engagieren sich ja sehr mit Unterrichten, mit Meisterkursen und mit Ihrer eigenen Akademie. Was beflügelt Sie, das zu tun?
Es ist eine Familientradition! Mein Großvater war Lehrer, meine Mutter war Lehrerin, und als ich noch Kind war, hat mir meine Mutter schon das Unterrichten beigebracht. Ich war immer dabei, wenn sie unterrichtete. Einmal sagte sie: « Mach du mal weiter! », und dann arbeitete ich mit den Schülern oder Studenten – meistens waren sie älter als ich – und leitete die Stunde. Und irgendwie wusste ich, instinktiv und aus einem inneren Bedürfnis heraus, was gut ist und nicht, So konnte sich das weiter entwickeln und es kam mir eigentlich schon damals völlig selbstverständlich vor. Meine richtige Praxis begann in den Achtzigerjahren Jahren, als ich in Ungarn jeden Sommer mit großem Erfolg ein Bartok-Seminar veranstaltete. Anfang der Neunzigerjahre war ich als Professor für Neue Musik nach Karlsruhe eingeladen worden. Ich habe mit Instrumentalisten der Hochschule gearbeitet, mit kleineren Gruppen oder Orchesterensembles. Von Karlsruhe aus bin ich dann für drei Jahre an die Hochschule nach Köln gegangen und habe dort auch eine Ensembleprofessur gehabt. Danach bin ich wieder nach Karlsruhe zurück in eine Dirigentenklasse gegangen, und diese Dirigentenklasse funktionierte damals schon in Zusammenarbeit mit meinem eigenen Institut, das Anfang der Neunzigerjahre in Ungarn gegründet wurde, mit dem Ziel, jungen Dirigenten sofort nach der Ausbildung weitere Informationen zu vermitteln und es ihnen zu ermöglichen, Repertoires kennen zu lernen, die normalerweise an der Hochschule nicht behandelt werden. Nur sehr wenige unterrichten zeitgenössische Literatur, und wenn, dann meist nur ‘in Klammern’. Man sagt, die Hochschule müsse eine klassische Ausbildung garantieren und das Repertoire sei nun mal sehr groß, so dass für die Moderne keine Zeit bleibe. Aus meiner eigenen Erfahrung gehe ich von einem anderen Standpunkt aus. Ich behaupte, der Unterricht müsse in der Gegenwart beginnen und die historischen Aspekte mit einbeziehen. Mein Standpunkt als Professor ist also genau das Gegenteil dessen, was man mir beigebracht hat, also zuerst Mittelalter, Klassik und dann die Romantik und dann nichts mehr. Und das war falsch! Zuerst soll das ‘Jetzt’ kommen, und dann schauen wir, in welchem Zusammenhang es mit der Historie steht. Die Vergangenheit muss immer in Beziehung zur heutigen Zeit gebracht werden!
In welcher Tradition sehen Sie sich denn, wenn Sie Komponisten unterrichten?
Ich gehe von der praktischen Seite aus, weil ich in meinen jüngeren Jahren eben selber Instrumentalist war und Dirigent bin sowie auch komponiere und daher alle Probleme sehe, die Musiker bei der Realisation von neuen Werken haben können. Daher kommt es für mich sehr auf die Präzision der Schreibweise an, also letztlich auf das Handwerkliche. Frühere Komponisten haben diese unglaublichen Perfektion vorexerziert, Schönberg etwa, oder Leopold Mozart, der wundervolle Bücher geschrieben hat, in denen er erklärt, wie die verschiedenen Artikulationszeichen zu spielen sind, Von den Studenten der Kompositionsklasse verlange ich, dass sie lernen, präzise zu schreiben. Die Kompositionsklassen, die ich kenne, geben halt nur eine theoretische Erziehung und, so wichtig die sein mag, so gewiss ist, dass dieser Weg zu einseitig, ist. Der nur theoretisch ausgebildete Komponist stößt später im praktischen Leben, während den Probezeiten mit den Orchestern, auf sehr viele Probleme, weil du Notation und die Kommunikation zwischen dem Komponisten und den Musikern nicht präzise genug ist. Deswegen versuche ich die praktische Aspekte bei den Komponisten auszubilden und zu verstärken.
Heute ist die stilistische Vielfalt unter den Komponisten ja sehr groß, nicht zuletzt durch sehr verschiedene geographischen und kulturellen Hintergründe. Einige Junge streben vielleicht nach vorne, andere schauen rückwärts. Wie reagieren Sie persönlich auf diese doch sehr unterschiedlichen kompositorischen Strömungen von heute?
Ich akzeptiere grundsätzlich den Charakter des Komponisten. Ich arbeite ja nicht mit einer ständigen Klasse, es sind nicht Komponisten die regelmäßig zu mir kommen, sondern kurze Begegnungen in Seminaren oder Kursen mit jungen Komponisten, die zu mir kommen, mir ein Werk vorlegen und meine Meinung dazu hören möchten. Dieser Moment bereitet mir immer eine sehr große Freude, denn aus der Partitur kann ich den Charakter des Menschen heraus lesen. Ausschlaggebend ist, dass ich sehe, ob die Musik mit dem Charakter des Studenten im Einklang ist, ob die Musik wirklich so ist wie er. Das allein finde ich wichtig! Nicht einverstanden bin ich, wenn die Musik einer übernommenen Art entspricht, etwa der Art, in welcher der Professor des Studenten schreibt. Dann sage ich: « Vorsicht, du lernst zwar etwas, aber dich selbst lernst du dabei nicht kennen, es lohnt sich nicht, in dieser Richtung weiter zu arbeiten, denn das ist schon ausgearbeitet worden von den Professoren. Versuche deinen eigenen Stil, deine eigene Welt aufzubauen, um deinen eigenen Platz im professionellen Leben zu finden ». Ferner muss jeder angehende Komponist versuchen, ein Maximum an Information über das Musikleben zu erhalten. Wer am großen Musikgeschäft teilnehmen will, braucht eine profunde Kenntnis der Wege, die in dieses Musikgeschäft führen. Wer im stillen Kämmerlein für sich arbeitet und darauf wartet, von irgend jemandem entdeckt zu werden, muss eine sehr starke Persönlichkeit und eine sehr große Ausstrahlung besitzen, sonst funktioniert das nicht.
Wie bringen Sie eigentlich persönlich diese ganzen Tätigkeiten, Komponieren, Dirigieren und Unterrichten unter einen Hut?
Das ist reine Organisationsarbeit! Ich habe Gott sei dank auch noch einige Leute, die mir dabei helfen, vor allem meine Frau, die die ganze Zeiteinteilung, die Vororganisation und die Reisen plant, und dann habe ich noch ein wunderbares Management in London, so dass meine sehr vielseitigen Tätigkeiten gut abgewickelt werden können. Generell ist meine Zeiteinteilung so: Sechs Monate komponieren und sechs Monate dirigieren.
Was inspiriert Sie zum Komponieren?
Die Inspiration kommt, wenn man sich hinsetzt, wenn man nicht ständig verreist, Briefe schreibt oder herumtelefoniert. Eine kontinuierliche Konzentration bringt die Inspiration.
Und wo und wie sehen Sie sich heute selber in der Neuen Musik?
In der Mitte! Weil ich in der ganzen Welt mit großen Orchestern sowie auch mit sehr vielen Ensembles arbeite, weiß ich, was möglich ist. Die großen Orchester haben in den letzten 15 Jahren eine Qualität erreicht, die es ihnen erlaubt Gegenwartsmusik technisch absolut problemlos zu realisieren. Das ist schon eine sehr wichtige Entwicklung!