Schumanns Fantasie op. 17 ist hintergründiger als viele Pianisten es mitzuteilen wissen. Der 1987 geborene Franzose Gaspard Dehaene, den wir als Begleiter von Adrien Boisseau in bester Erinnerung haben, gelingt das seltene Kunststück, die Musik von allen intellektuellen und konzeptorientierten Zwängen zu befreien und sie nur als solche, als Musik, als Klang, als hörbar gewordene Emotionen zu spielen. In die Fantasie lässt er viele Differenzierungen mit einfließen und es gelingt ihm wie nur wenigen anderen Pianisten, das Flackern in Schumanns Musik, diese vielen kleinen Blitze, d.h. die Zerrissenheit des noch jungen Geistes hörbar zu machen. Es ist bewegend, wie Dehaene neben den zarten, beseelten Zügen der Fantasie auch die wilden Akzente der Schumannschen Komposition sehr spontan herausarbeitet. Er lässt sich gehen, spürt den düsteren und traurigen Stimmungen nach, lässt in der Musik die Flamme nahezu ausgehen, kann aber selbst die Stille spannungsvoll am Leben erhalten. Im Kontrast dazu bäumt sie sich auch immer wieder kraftvoll auf. Dehaene behält immer Schumanns latent depressiven und sensiblen Gestus im Hinterkopf, insbesondere in den am zartesten formulierten Passagen.
Musikalisch ist das aufwühlend, weil es Schumanns Unruhe des geistigen Alleinseins symbolisiert und den schon in jungen Jahren mit heftigen inneren Konflikten ringenden Künstler charakterisiert.
Gaspard Dehaene beginnt seine Fantasien-Sammlungen mit Bachs Chromatischer Fantasie und Fuge BWV 903. Mit seiner kühnen Interpretation unterstreicht er den exzeptionellen Charakter dieses für Bach schon fast extravaganten Werks. Die Einleitung klingt drängend, im darauffolgenden Rezitativ wird die Musik dann von extremer emotionaler Empfindlichkeit. Die Fuge beginnt der Pianist recht locker, und das ist sehr zutreffend, denn im Vergleich zu den Fugen des Wohltemperierten Klaviers wird diese Fuge viel freier behandelt.
Humorvoll, mit sprühendem Witz und viel Spielfreude kommt Joseph Haydns Fantasie in C-Dur daher. Umso schmerzlicher wird dann Mozarts Fantasie KV 397. Gaspard Dehaene spielt sie mit einer Emotionalität, Vertiefung und Klangschönheit, die den Hörer erschüttert. In der Chopin-Fantasie fehlen weder Charme und Eleganz, noch das Süße und Zarte (das aber nie süßlich wird), und vor allem nicht die Wehmut. In der in einer großartigen Steigerung gespielten Scriabin-Fantasie zeigt sich, was einem im ganzen Parcours immer wieder auffällt: Dehaenes sichere Wahl der Farben. Es gelingt ihm, die einzelnen Komponisten farblich sehr gut voneinander abzugrenzen, jedem seine ganze eigene Färbung, seinen spezifischen Charakter zu geben.
So manche gute Klavierplatte habe ich in letzter Zeit besprochen, ja mich für die eine oder andere begeistert. Aber während ein Trifonov mit seinem genialen Spiel mich nicht wirklich erstaunte, ist Gaspard Dehaenes erste Solo-CD eine veritable Überraschung. Anne Queffélec darf sehr stolz sein auf ihren Sohn.