Über musikalische Interpretation darf und soll man auch diskutieren, meint Pizzicato-Mitarbeiter Alain Steffen in seinem Bericht über das Konzert des Luxembourg Philharmonic mit Andras Schiff, der als Artist in-Residence an diesem Abend zugleich als Dirigent und als Pianist auftrat. Mit diskutablem Resultat. Während einige Zuhörer am Schluss des Konzerts lautstark Bravo riefen, verließ ich schnell den Saal. Nach diesem Konzert hatte ich wirklich keine Lust mehr auf eine Zugabe, selbst wenn ich Herrn Schiff zu meinen all-time-Lieblingspianisten zähle. Eigentlich gibt es kaum etwas Erwähnenswertes zu berichten, denn allzu mittelmäßig plätscherte dieses Konzert irgendwie lust- und vor allem spannungslos dahin.
Bereits Schiffs Interpretation der Symphonie Nr. 88 von Josef Haydn machte sprachlos. Gegen Schiffs langweilige und betuliche Interpretation wirken sogar die traditionellen Aufnahmen eines Eugen Jochum regelrecht modern. Schiff versuchte der Musik mit altmodischer Lieblichkeit beizukommen. In unserer heutigen Zeit, wo man ein komplett anderes Haydn-Bild hat, wirkte Schiffs Interpretation wie aus einer anderen Welt. Dass traditionelle Konzepte durchaus spannend sein können, das haben bereits andere Dirigenten und Orchester an dieser Stelle gezeigt. Von einer inneren Dynamik, von Farben und Spielfreude, von Spannung und Augenzwinkern war nichts zu spüren. Das Orchester spielte nicht wirklich gut; oft war die Intonation approximativ, der Klang nicht ausgewogen und vor allem: die Musik atmete nicht.
Bei Bela Bartoks Tanzsuite vermisste man das Scharfe, Moderne, Kantige. Viel zu weich und zu seicht gespielt, vermochte Bartoks Musik an keinem Moment wirklich gefangen zu nehmen. Auch hier gelang es Andras Schiff nicht, den Klang des Orchesters zu öffnen und die Musik aus ihrem Korsett zu befreien. Und wenn in einem Konzert einmal der Wurm drin ist, dann bleibt er meistens auch dort. Von den vielen Aufführungen des Klavierkonzerts von Robert Schumann, die ich in den letzten Jahrzehnten mit etlichen großen Pianisten, Dirigenten und Orchestern gehört habe, war diese Interpretation mit Andras Schiff wohl die schwächste. Wie ein Patchwork reihte er Idee an Idee, störte den Fluss der Musik mit einem unerträglichen Staccato-Gewirr und brachte es nicht fertig, Klavier und Orchester zusammenzubringen. Demnach zögerlich agierten die alleine gelassenen Musiker und folgten ihrem Pianisten-Dirigenten mehr schlecht als recht. Auch pianistisch ließ Schiff diesmal für mich viele Wünsche offen. Anstelle des romantischen Flusses, des Atems und der genuinen Kraft der Musik , die er in den Hintergrund verbannte, setzte er auf kammermusikalische Feinheiten , was ihm und dem Orchester an diesem Abend allerdings nicht so recht gelingen wollte. Aber wie gesagt, Interpretationen sind Ansichtssache und alle die, die nach diesem Konzert begeistert waren, haben die Musik anders gehört und erlebt. Und das ist schön und auch gut so.