Wer solche Freunde hat, hat gut lachen, wie Baiba Skride auf dem Foto. Und wer mit denen dann so ein Konzert auf die Bühne des Kammermusiksaals zaubert, der sollte die Zuhörer begeistern. Dieses Konzert war alles andere als weihnachtlich im üblichen barocken Sinn und bot trotzdem den Interessierten eine reiche Bescherung, meint Uwe Krusch in seiner Kritik zum Konzert von Baiba Skride und Freunden in Luxemburg.
Wenige im Saal Verstreute lauschten zunächst dem Gespräch von Tatjana Mehner mit dem Cellisten Alban Gerhardt, bei dem der Musiker launig und direkt seine Sicht darlegte. Viele Aspekte wurden plaudernd beleuchtet, wie das Verhältnis des Ausführenden zum anwesenden Komponisten, zur Einflussnahme des Komponisten auf die Interpretation seiner Werke, die Unterschiede zwischen Quartett- und Quintettspiel und die Einstellung zur Aufführung. Sein Fazit aus dem Gegensatz zwischen perfekter lebloser und verbesserungsfähiger, aber mitreißender Interpretation: Korrekt am Abgrund. Und das gelang den fünf Musikern wunderbar, wobei das Korrekte eher schon perfekt war und der Abgrund für den Hörer als spannend ausgeleuchtete Musik hörbar wurde.
Zum Konzert war der Kammermusiksaal der Philharmonie dann mit einem erwartungsvollen Publikum gefüllt, dem drei großartige Werke unterschiedlichster Couleur geboten wurden. Das einleitende Quintett in C-Dur von Mozart, wie alle Werke des Abends mit der zweiten Viola zum Streichquartett, zählt zu den ersten bedeutenden Werken dieser Gattung. Schon von den Ausmaßen her und auch kompositorisch ist es beileibe nicht nur ein Einspielstück. Dem Werk entsprechend präsentierten die fünf Musiker eine durch und durch klassische Interpretation mit wunderbar rundem Klang, die die musikalischen Strukturen und Einzelstimmen deutlich aufzeigte und trotzdem gleichzeitig ein homogenes Gesamtklangbild entwarf. Und über diese formalen Aspekte hinaus wussten die fünf Streicher das der Komposition innewohnende Feuer zu entfachen.
Diese grundsätzliche Herangehensweise hielten die Instrumentalisten den Abend über durch, auch noch in der Wiegenlied-Zugabe, dem Chorsatz Abendlied von Josef Rheinberger.
Davor erklang das zweite Quintett von Johannes Brahms. Dieses Werk verlangt eine breite Palette an darstellerischem Können von den Musikern, da der erste Satz einen dichten symphonischen Ansatz hat, das Adagio dann melancholischer Stimmung ist, das Rondo nervös und ansatzweise walzerselig erklingt und das Finale in klassischer Form das ungarische Idiom einbezieht. Alle diese Momente stellen die Musiker mit großer Leuchtkraft, exzellentem technischen Auftritt und feinster interpretatorischer Durchdringung dar.
Waren die beiden rahmenden bekannten Meisterwerke in einer keine Schwachstellen zeigenden Interpretation schon atemberaubend, so war das dazwischen positionierte neue Werk, das Quintett ‘Epitaphs’ von Brett Dean, der Höhepunkt. Der als Bratscher mitspielende Komponist hat die Herausforderungen der anderen Werke noch übertroffen, indem er diverse besondere spieltechnische Anforderungen stellt. So eröffnet das Werk mit von im Quintabstand zu spielenden künstlichen Flageoletts in den Bratschen. Besonderheiten, wie Griffe vor dem Griffbrett, Ponticello-Spiel, teilweise mit Tonwolf, sind neben den ohnehin großen Herausforderungen dieser Komposition weitere Momente für Klangfeinheiten.
Die fünf Sätze hat Dean fünf engen Freunden gewidmet, die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren verstarben. Aber sein Augenmerk richtet sich auf die Erinnerung an deren Lebensleistungen und nicht primär die Trauer. Da die Widmungsträger sehr unterschiedliche Persönlichkeiten waren, ergeben sich auch in der Musik vielfältige Aspekte. Nachdenkliche, wispernde und aufschreiende, kraftvolle, in der Höhe flirrende Klänge, Motorik und Akzentverschiebungen und ein elegischer Abschluss erfordern von den Instrumentalisten ein tiefes Eintauchen und allen Einsatz. Beides war hier erkennbar gegeben, wie beispielsweise beim einleitenden Cellosolo des Mittelsatzes. Auch in diesem Werk konnte man die Freude der Musiker am Werk und am Gelingen miterleben, die sich mit Blicken und Gesten ständig austauschten und oft zulächelten.
Die neuen Töne von ‘Epitaphs’ wie auch die Quintettstruktur überhaupt stellen auch an den Hörer hohe Anforderungen. Das gewohnte Quartettgespräch wird vielschichtiger, als man es mit nur einem weiteren Instrument vermuten würde. Durch die Betonung der Mittelstimmen wird der Klang dichter und gleichzeitig ausgewogener und abwechslungsreicher. Und natürlich sind die Auftritte von Quintetten rar, so dass allein schon die Hörerfahrung für diese Werke begrenzt ist. Vielleicht regt dieses fantastische neue Werk andere Komponisten zu einer weiteren Verbreiterung des Repertoires an.
Baiba Skride und Alban Gerhardt sind einem breiten Publikum als international anerkannte Solisten bekannt. Die anderen Musiker, die Geigerin Gergena Gergova und die Bratscher Brett Dean und Amihai Grosz, stehen weniger im Rampenlicht. Dass sie den Erstgenannten in nichts nachstehen, konnte man offensichtlich daran erkennen, dass die Geigerinnen für ‘Epitaphs’ die Positionen tauschten.
Ein langer und grandioser Abend, der mit kurzem intensivem Applaus endete. Wahrscheinlich waren nicht nur die Musiker nach diesem Parforce-Ritt am Abgrund erschöpft.