Ob das rezente Konzert des ‘Orchestre Philharmonique du Luxembourg’ in der Reihe Aventure+ ein Erlebnis, vielleicht ein Abenteuer oder sogar ein amouröses Abenteuer war, hat Uwe Krusch für Pizzicato erfahren können. Bei diesem musikalischen Abend standen dem Orchester drei Gäste zur Seite, die Brüder Lucas und Arthur Jussen an den Flügeln, Dmitry Liss schwang den Dirigentenstab.
Das blaue Band, heute eine preisbewährte Umrundung des ungarischen Plattensees per Segelboot, war früher die Auszeichnung für das schnellste kommerzielle Passagierschiff zwischen Europa und New York, könnte hier für die etwas weitere Spanne der Werke, die von Moskau über Polen bis nach Pennsylvania reichten, stehen. Es kann aber auch für die persönliche Note des Orchesterleiters stehen, der als Abschluss des Stehkragens seines Jackets, der Oberkante seiner Brusttasche sowie als Schnürsenkel quietschblaue Farbe zur modischen Auflockerung seiner schwarzen Kleidung trug. Zum Glück wurde nicht die ursprüngliche Bedeutung, bei der es nur um das Tempo ging, als Maßstab gewählt.
Das Werk ‘Orawa’, eine Pastorale des späten 20. Jahrhunderts von Wojciech Kilar, eröffnete den Abend. Dieses rund zehnminütige Werk schildert beinahe insistierend die Sehnsucht nach der Natur und ihren Kräften. Die Musik scheint wie ein Echo aus Bergregionen zu kommen, von Schafweiden und vom Bergvolk. Es beginnt mit einem ausschweifenden Violinsolo nebst rhythmisch begleitenden einzelnen Geigen aus dem Hintergrund als Meditationsmusik im Tempel der Natur. Eine langsame Verdichtung von Harmonien, während die melodische Figur bei sich selbst bleibt, führt zu einer Bewegung auch der Thematik und entfaltet sich wie eine Blüte. Plötzlich springt die Musik fortissimo in ursprüngliche Volksmusik über. Volkstänze der Karpaten an der polnisch-slowakischen Grenze werden hörbar, die auch ein Cellosolo einschließen. Dieses unmittelbar eingängige Werk des als Filmkomponisten bekannten ukrainischen Polen eröffnete das Konzert spannungs- und wirkungsvoll.
Die in gewisser Weise minimalistische Musik des Polen bot einen guten Ausgangspunkt für das folgende Solokonzert. Die Brüder Lucas und Arthur Jussen, aus Hilversum und damit einer holländischen Provinz der Niederlande, sind für ihre rasanten und spannenden Interpretationen bekannt. Hier widmeten sie sich dem Doppelkonzert für zwei Klaviere und Orchester von Philipp Glass, also einem der arriviertesten Tonschöpfer von ‘minimal music’. Das Konzert knüpft doppelt an die Historie an, einerseits bei dem eigenen ersten Violinkonzert von Glass, andererseits bei früheren Werken gleicher Besetzung. Dabei fallen dann auch die Veränderungen auf, wie die quasi pianistische Behandlung des Orchesters.
Die beiden Pianisten widmeten sich dem Konzert mit rhythmischer Akkuratesse und pianistischer Leichtigkeit, die das Orchester aufnahm. So machten alle Beteiligten das Konzert zu einem Hörerlebnis, dass die Eigenarten dieses Typs der Musik mustergültig aufzeigte. Die ‘minimal music’ eröffnet eine raffinierte Klangwelt, die auf Dauer dann auch gerne einmal ermüdet.
Den Abschluss fand das Konzert am östlichsten Punkt mit der letzten Symphonie von Sergej Rachmaninov. Auch hier entwickelte der Schüler von Dmitrij Kitajenko als Dirigent seine teilweise weit ausladenden Dirigierbewegungen, ohne die deutliche Zeichengebung für heikle oder wichtige Momente aus den Augen zu vernachlässigen. Mit dem Abstand von drei Jahrzehnten und Überarbeitung folgte die dritte Symphonie auf die zweite, die zumindest unter den Beiträgen zu dieser Gattung die eingängigste ist. Doch auch die dritte geizt nicht mit einprägsamen melodiösen Augenblicken, wie in den Vorgängerwerken. Immer wieder streut der Komponist moderne Tonsprache der Jetztzeit der Entstehung ein, so dass es zu schroffen Versetzungen kommt. Das OPL zeigt beide Seiten dieser Komposition eindrucksvoll auf. Feine Solistenleistungen, für die sich der Dirigent im Anschluss an das Konzert in ungewohnter Art und Weise bei Ausführenden und Publikum bedankt und machtvolle Tutti, die dennoch durchsichtig gestaltet sind, zeugen von der Qualität, die das Orchester erreicht hat. Durch belebendes Dirigat lässt sie sich herauskitzeln.
Das Abenteuer als amourös zu bezeichnen, wäre sicherlich unangemessen, aber es nur als ein Erlebnis zu bezeichnen, wäre zu wenig. Es war ein Abenteuer über verschiedene Kontinente und Zeiten, das glanzvoll dargeboten wurde.