Kaum hat sich die Coronalage weitgehend beruhigt, mag das aktuelle Thema des Krieges von Putin gegen die Ukraine die Gedanken auch der Musiker beschäftigen. Jedenfalls konnte sich Uwe Krusch dieses Eindrucks beim Konzert des Chiaroscuro Quartet anfangs nicht ganz erwehren.
Bei den das Programm eröffnenden drei ausgewählten Fantasien von Henry Purcell schienen die vier Musiker, insbesondere die aus Russland stammende Primaria Alina Ibragimova, noch nicht ganz bei der Sache. Das ließ sich von außen natürlich kaum wirklich bestätigen, wirkte aber so. Diese stark kontrapunktische Musik, um die sich allerlei Fragen stellen lassen, bot mit ihrer stark formalisierten Struktur keinen leichten Einstieg, weder für die Ausführenden noch die Zuhörer. Allerdings mochte man einige ungewohnte Dissonanzen eher einer aufgewühlten Stimmung und daraus abgelenkter Konzentration als fehlendem Können zuschreiben. Ansonsten aber entfaltete sich das Geflecht der Stimmen bereits in intensiver Weise. Was am Beginn schon anklang und umso mehr für den Rest des Konzertes galt, war die dynamische Differenzierung und auch Einordnung im Saal. Geht es dem Rezensenten oft so, dass im Kammermusiksaal die Akustik zwar als sehr angenehm, oft aber auch als zu direkt und laut empfunden wird, so konnte das Chiaroscuro Quartet sich so einnorden, dass dieses Phänomen, insbesondere der unangenehmen Lautstärke, nicht auftrat.
Dass diese Interpreten aus vier Kulturen seit mehr als 15 Jahren friedlich und äußerst kunstvoll zusammen agieren, zeigt, dass die Kultur mehr und bessere Verbindungen schafft als die Politik. Bei den beiden Quartetten von Ludwig van Beethoven, dem als erstem Werk in F-Dur und dem Werk mit dem Beinamen Harfenquartett zeigten sich die vier Musiker konzentriert und mit Haut und Haar im Konzertsaal angekommen. Die Musik dieses Komponisten schien ihnen besonders in den Händen zu liegen. In beiden Werken gestalteten sie spannungsreiche große Bögen der Interpretation, die von Binnenstrukturen getragen wurden. Mit einer, wie schon angedeutet, vom Feinsten ausgehenden Auffächerung der Lautstärkestufen bis zu einer saalgerechten Fülle schufen sie so schon ein feinsinnig durchgeformtes Bild, dass durch die präzise und vielschichtige Gestaltung des von den Darmsaiten geschaffenen Tones mitgeprägt wurde.
In den vier Ecksätzen der beiden Beethovenwerke formte das Quartett die Strukturen so deutlich heraus, dass man mit Leichtigkeit sowohl die am klassischen Muster orientierte Gestalt als auch die subtilen Neuerungen aus der Feder Beethovens, entsprechende Kenntnisse beim Hörer vorausgesetzt, wahrnehmen konnte. Das waren schon akustische Leckerbissen. In den Binnensätzen boten für mich das Presto aus dem Harfenquartett und das Adagio affettuoso ed appassionato des frühen Quartetts die herausragenden Höreindrücke. Vor allem das Adagio entwickelte eine solche Intensität und emotionale Tiefe, dass man fast schon an einen Satz von Schubert denken mochte. Überhaupt zeigte das Ensemble, dass die Musik von Beethoven auch mit subtiler Akzentuierung ohne das massive Auskosten der Betonungen zu einem ebenso entspannt fließenden wie dennoch Aufmerksamkeit heischenden Ergebnis führen kann, das Beethoven als Komponisten positiv gestimmter Musik und nicht als Griesgram, wie es oft vermittelt wird, zeigte.