Auch die Philharmonie in Luxemburg bekam ihren Anteil vom Kuchen ab, den das ‘Cuarteto Casals’ zu seinem zwanzigjährigen Bestehen verteilt. Aus dem sechsteiligen Konzertzyklus mit den Quartetten von Beethoven, denen jeweils ein zeitgenössisches Auftragswerk gegenübergestellt wird, wurde dem Publikum im Kammermusiksaal, also auch dem Rezensenten Uwe Krusch, eine große schmackhafte Portion serviert.
Das Ziel der Gegenüberstellung mit eigens für diesen Auftrittsmarathon geschaffenen Werken von Komponisten aus Mittelmeeranrainerstaaten sollte es sein, die Modernität der Kompositionen Beethovens zu seiner Zeit durch den Blick der heutigen Zeit auf heutige Werke nachzuvollziehen. Wenn man das für diesen Abend das auf op. 131 von Beethoven bezogene Werk ‘Quasals vB-131’ als Maßstab nimmt, dürften die Zeitgenossen Beethovens nicht allzu geschockt gewesen sein. Der Komponist Mauricio Sotelo blickt in zwölf Minuten mit erweiterten (wie Collegno, Flageolett, Glissando, Ponticello), aber konventionellen Aufführungstechniken voller Ehrfurcht auf die Formgestaltung des Werks von Beethoven und ebenso auf das aufführende Ensemble. Darin bettet er ein mittelmeerisch-spanisches Flair ein. Der Titel ergibt sich aus Quasaren, also Galaxienkernen großer Helligkeit, verbunden mit den Casals und aus der üblichen numerischen Bezeichnung von astronomischen Objekten, die den Bezug zu dem cis-Moll Quasar knüpft. Aufs erste Hören hat Sotelo eine freundliche Komposition geschaffen, deren Ersterbendes Pizzicato am Ende einen positiven Eindruck hinterlässt. Sie wurde mit freundlichem Applaus bedacht.
Die Zugabe mit eingerechnet, hatte Beethoven mit zusammen 100 Minuten Spieldauer natürlich den größten Anteil am Konzert. Die Auswahl hatte aus allen Schaffensperioden des Meisters das in c-Moll stehende vierte Werk aus der Reihe Opus 18, das letzte der Rasumowsky-Quartette und natürlich das in der Komposition von Sotelo einbezogene späte cis-Moll Werk getroffen. Dazu kam als Zugabe noch das Presto aus dem B-Dur Quartett.
Wenn ein so etabliertes Ensemble sich an einen Zyklus wagt, dann erwartet das Publikum natürlich auch eine große Annäherung an das Objekt der Begierde und damit auch eine große Durchdringung und Beherrschung. Diese Erwartung wurde mit leichten Kratzern mehr als erfüllt. Insbesondere bei den beiden früheren Werken war das rasante Tempo, dass die Vier anschlugen, auch ein Problem. War bei Opus 18 Nr. 4 das eröffnende Allegro, ma non tanto eher ohne ‘ma non tanto’ gelesen worden, so geriet das das Quartett abschließende Prestissimo zu einer wilden Jagd. Hier gelang es Abel Tomàs, der hier den Primariusstuhl innehatte, nicht mehr ganz, eine ausgespielte Version zu erzeugen. Vielmehr kam es zu fast effekthaschenden Augenblicken, die aber trotzdem an dieser Stelle ein hörenswertes Momentum schufen.
Im Rasumowsky-Quartett litt die Deutlichkeit einiger Stellen am selbst gewählten Tempo, so dass alle mit den Herausforderungen zu kämpfen hatten und kurzfristig auch ins Straucheln gerieten. Vera Martínez Mehner, die bis auf das Frühwerk die Primaria war, wirkte beim Opus 59/3 noch etwas zurückhaltend, ohne dass sich dieses musikalisch ausgewirkt hätte. Im weiteren Verlauf des Abends kam dann auch die zur Position passende Körpersprache dazu. Abel Tomás pflegt auch am zweiten Pult eine weitausholende Gestik und Mimik, die mitunter affektiert wirkt.
Die vorstehenden Mäkeleien stellen allerdings nur ein Leiden auf hohem Niveau dar. Die aus den Darbietungen sprechende Kraft bei gleichzeitig klarer struktureller Darstellung zeichnen dieses jung gebliebene Quartett aus. Alle vier verstehen es, sich ins Kollektiv einzubringen und auch ihre hervortretenden Stellen wirkungsvoll in Szene zu setzen. So ergibt sich differenziertes Klangbild, das trotz ausgezeichneter Homogenität jedem Mitspieler seinen Raum lässt. Diese Herangehensweise bereitet den Boden für ein äußerst engagiertes und belebtes Spiel, dass im Publikum auch mit Spannung aufgenommen wurde und damit ein wirkliches Konzerterlebnis schafft, um dessentwillen man froh ist, dabei gewesen zu sein.
In letzter Zeit immer mehr zu beobachten sind elektronische Noten, hier von den Brüdern Tomàs verwendet, die mit Pedal umgeblättert werden. Die anderen beiden spielten aus klassischen Noten, die zudem den Vorteil hatten, dass sie alle Stimmen als Partituren sehen konnten, was bei der Größe eines Laptopbildschirms wohl eher zu unübersichtlich würde. Unterschiede gab es auch bei den verwendeten Bögen, da das Quartett je nach aufgeführtem Werk andere Bögen nutzt und damit einem historisierenden Klang ein wenig näher kommt.
Den krönenden Abschluss stellte die Interpretation von Beethovens vierzehntem Quartett dar. In diesem Stück, das weniger auf die rasanten Tempi setzt, konnten die Musiker alle ihre mitreißenden Fertigkeiten darbieten. Ihnen gelang es, den in diesem sehr ausladenden Werk den Spannungsbogen so zu formen, dass er die sieben verzahnten Sätze zusammen hielt und sie gleichzeitig die formellen Aspekte und Besonderheiten plastisch und detailliert ausformulierten. So meisterten sie eine große Aufgabe herausragend. Auch hier wieder wurden sie mit großem Beifall und Bravorufen belohnt.