Gleich vier Werke, die man mit dem Motto Befreiung von der Form und Freiheit mit der Form oder aus einem anderen Blickwinkel Ideen zu Don Juan zusammenfassen könnte, bot das ‘Philharmonische Orchester Luxemburg’ unter seinem Chef Gustavo Gimeno in der Luxemburger Philharmonie. Solistisch nahm Frank Peter Zimmermann das Auditorium mit zwei weniger zugänglichen Violinwerken in Bann, schreibt Uwe Krusch in seiner Konzertkritik.
Während das erste Stichwort eher auf die immanenten Widersprüche abstellt, sucht das zweite die Verbindung. Um mit Letzterem zu beginnen, fällt es leicht, dies mit dem Anfang des Konzertes zu begründen, da die symphonische Dichtung ‘Don Juan’ von Richard Strauss gespielt wurde. Den Abschluss bildete die Suite aus dem Ballett’ Der wunderbare Mandarin’ von Bela Bartok, bei der die Sehnsucht den Mandarin nach der Hure eine positive Ausprägung des Verführens durch einen Don Juan zeigt. Eine solche Sogwirkung übte auch das Spiel des Solisten Frank Peter Zimmermann aus, der mit der Kammermusik Nr. 4 von Paul Hindemith und der Fantasie für Violine und Orchester von Robert Schumann das gesamte, auch das männliche Publikum begeistern konnte.
Das Spannungsfeld Form und Freiheit wurde auf vielfältige Weise bedient. Eine symphonische Dichtung, also die Abkehr von der klassischen symphonischen Form, die Fantasie von Schumann, also die freie Form, in der ein klassischer Sonatensatz ausgearbeitet ist, die Kammermusik von Hindemith, die im Titel die Begrenzung für den kleine Raum trägt und trotzdem eine Besetzung und die Konzertform für den großen Saal verwendet und schließlich die Ballettmusik, die auf Grund des Sujets eigenen Gesetzten unterliegt, zeigen dies deutlich auf. Dazu kommt, wie schon Tatjana Mehner in ihrer Vorbereitungsdarstellung auch anmerkte, der vom typischen Abend, Ouvertüre, Solokonzert und Symphonie, abweichende Programmaufbau.
Das OPL unter Leitung seines Chefdirigenten Gustavo Gimeno hatte den Abend sorgfältig vorbereitet und gestaltete ihn mit großer Intensität.
Die technische Bewältigung gelang mühelos, und insbesondere die Bläser, allen voran einige Holzbläser, konnten sich mit feinen Soli hervortun. Auch im Zusammenspiel konnten diese Instrumentalisten ein ihre Qualitäten mit guter Harmonie punkten.
Ebenfalls die Streicher überzeugten mit homogenem und engagiertem Spiel. Allenfalls in kurzen Momenten wie am Anfang von ‘Don Juan’ konnte man leichte Unsicherheiten im Zusammenspiel vernehmen. Die beiden Eckwerke von Strauss und Bartók, erlebten durchaus hörenswerte Widergaben. Lediglich an der Durchhörbarkeit und der noch stärkeren respektive feineren Handhabung von kammermusikalischen Momenten, die auch solche Werke enthalten, hätten sich noch Verbesserungen erzielen lassen.
Die in diesem Fall zwei mit einem Solisten besetzten Stücke waren trotz des schon anspruchsvollen Rahmenprogramms die eigentlichen Hinhörer. Die nach der Pause erklingende Fantasie von Robert Schumann, obwohl zeitlich in der Nähe zu seinem Violinkonzert und damit seinem Aufenthalt in Endenich entstanden, war nie dem Verdacht irrer Musik. Für diese eigentlich freie Form hat Schumann einen ganz klassischen fein ausgearbeiteten Sonatensatz gewählt. Der Solist wusste mit seiner klassisch überlegenen Spielweise sowohl die melodischen Linien klangschön zu zeichnen als auch die technischen Herausforderungen locker zu bewältigen. Allein die Interpretation dieses Werks war den Besuch wert.
Der eigentliche Höhepunkt war aber die ‘Kammermusik’ von Paul Hindemith. Dieses vierte einer Reihe von sieben Werken, vorwiegend für Streichinstrumente sowie jeweils für Klavier und Orgel, zeigt sozusagen den bösen Buben. Er setzt in der klassischen Musik Elemente und Instrumentationen ein, die kompositorisch die Unterhaltungsmusik der Zeit aufnehmen, etwa Foxtrott und Jazz. Dazu kommt Hindemiths nicht ganz zugängliche Musiksprache. Dass ein solches etwas sperriges Werk ein begeistertes Publikum fand, lag an einer mitreißenden Interpretation. Dass Zimmermann ein solches Werk mit der gleichen Zuwendung und Hingabe erarbeitete und präsentierte, zeugt von seiner Klasse. Aber auch das außer dem Solisten um die hohen Streicher beraubte Orchester trug den Solisten auf Händen und zusammen begeistern sie das Publikum. Ein runder Abend in der Philharmonie.