Wenn der große Saal der Philharmonie vollbesetzt ist und das musikalische Resultat sich sehen und hören lassen kann, dann hat man wohl alles richtig gemacht, meint Pizzicato Mitarbeiter Alain Steffen. Das von der Philharmonie Luxembourg initiierte Amateur-Symphonieorchester Orchestre de la Place de l’Europe (OPE) ist ein Projektorchester, deren Musiker ein Progamm pro Saison erarbeiten und in der Philharmonie vorstellen.
Schön ist es zu sehen, welche Begeisterung das Orchester beim Publikum auslöst und mit welcher Hingabe und Spielfreude es sein Konzert gestaltet. Und dabei beschränkt man sich nicht nur auf die ewigen Klassiker sondern zeigt Mut und erarbeitet sich auch weniger gespielte Werke und, wie in diesem Jahr, sogar ein zeitgenössisches Stück von Tan Dun. Die Passacaglia: Secret of Wind and Birds for orchestra, CD and audience cell phones ist ein recht tonales, aber für Amateure nicht unbedingt leichtes Stück. Vor allem muntert es das Publikum auf, mit einer zuvor auf die Mobilphones heruntergeladenen App auf Zeichen des Dirigenten Vogelstimmen erklingen zu lassen. So werden Bühne und Saal quasi gleichzeitig zur Spielfläche, was eine tolle Initiative darstellt, dem Publikum auch moderne Musik schmackhaft zu machen.
Als Aufwärmer erklang Beethovens dramatische Coriolan-Ouvertüre, die in erster Linie dazu diente, die Musiker auf einen Puls zu bringen. Hier und da gab es dann noch einige Ansatz- und Koordinationsprobleme, aber schnell hatten sich die Musiker gefunden und musizierten dann sicher und mit Leib und Seele.
Nach den ersten Konzerten von 2022 und 2023, wo das Orchester noch relativ vorsichtig spielte, merkte man jetzt eine gewisse Vertrautheit im Ensemble und Freiheit im Spiel. Überhaupt stellte man schnell fest, dass das OPE als Ensemble gewachsen ist, präziser und sicherer spielt und mit einer erstaunlichen Flexibilität reagiert. Der Klang hat sich geöffnet, es gibt ein gesundes Bassfundament, auf dem sich der Klang sehr gut entwickelt und vor allem ist es den Musikern gelungen, Tiefe und Räumlichkeit in ihr Spiel zu bringen. Aber auch an den Feinheiten wurde gearbeitet. Vor allem dem Dirigenten Benjamin Schäfer ist es hoch anzurechnen, dass er nicht nur auf äußerliche Effekte setzt, sondern sehr viel Platz für Subtilitäten und feine Linien lässt. Davon profitierte Claude Debussys Rhapsodie pour clarinette et orchestre, bei der die Musiker mit einen schönen, impressionistischen Farbenspiel überraschten. Benjamin Schäfer zeigte ebenfalls, dass er ein hellhöriger Begleiter ist und den sensationell aufspielenden Klarinettisten (des Luxembourg Philharmonic) Arthur Stockel sehr professionell begleitete. Dieser fühlte sich hörbar wohl und konnte demnach sehr frei gestalten.
Zu einem Höhepunkt wurde das jazzige Concerto for Clarinet von Artie Shaw, bei dem Schäfer solistisch ebenfalls auf dem Schlagzeug zu hören war und bei dem sich er und Stockel die Noten wie Ping-Pong-Bälle zuwarfen. Die verschiedenen Instrumentengruppen des Orchesters durften hier ebenfalls glänzen und der gesamte Blechapparat „nahm kein Blatt vor den Mund“ und ließ es so richtig krachen.
Kein Zweifel, Benjamin Schäfer wollte, dass es jedem Spaß mache und dass jeder Musiker dabei sein Bestes geben sollte. Als Hauptwerk des Abends hatte man sich für Pini di Roma von Ottorino Respighi entschieden, ein wunderschönes und sehr publikumswirksames Stück, das vom OPE und Benjamin Schäfer auch sehr gekonnt interpretiert wurden. Viel Feinarbeit, viele dynamische Abstufungen, Klangfarben und Spielsicherheit zeigten, wie gut sich das OPE innerhalb dieser zweieinhalb Jahre entwickelt hat. Vor allem zeigt das Resultat, zu was Amateure in einem Projektorchester fähig sind, wenn sie gut geführt werden. Benjamin Schäfer, der ja als Schlagzeuger in Luxembourg Philharmonic tätig ist und in Helsinki bei Jorma Panula Dirigieren studiert, ist als Dirigent ebenfalls gewachsen. Seine Zeichengebung ist klarer geworden, die Bewegungen kontrollierter, sparsamer und konzentrierter. Dies ermöglicht Schäfer, nun in die Tiefe zu gehen, den Klang zu modulieren, verschiedene Instrumentengruppen und Soli besser aus dem Ensemble herauszuheben und seinen Interpretationen insgesamt mehr Gewicht, Farben und Relief zu geben. Zusammen wachsen und zusammenwachsen ist hier das Motto. Von den vielen schönen Soloeinlagen, die wir an diesem Abend hären konnten, sei hier das wunderbar lyrische und sehr empfindsame Spiel der Klarinettistin Véronique Bernar genannt, das die Aufführung der Pini di Roma regelrecht veredelte. Das Publikum reagierte stürmisch und begeistert, bereits nach der ersten Konzerthälfte gab es für Arthur Stockel und die Musiker Standing Ovations und nach dem letzten verklungenen Ton von Pini di Roma gab es dann kein Halten mehr. Das OPE und Benjamin Schäfer wurden enthusiastisch gefeiert und spielten noch eine Zugabe, nämlich ein Stück für Streichorchester aus der 3. Suite von Antiche danze ed arie, ebenfalls von Respighi.