Auch Rezensenten haben es nicht immer einfach, zumal wenn Orchester, Dirigent und Solist zu seinen Lieblingsinterpreten gehören und zwei Werke eines seiner Lieblingskomponisten auf dem Programm stehen, meint Alain Steffen in seiner Kritik eines Konzerts des Philharmonia Orchestra unter Esa-Pekka Salonen.
Am vergangenen Dienstag spielte das Philharmonie Orchestra unter seinem Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen im Rahmen seiner Europatournee ein finnisch-russisches Programm mit einem Orchesterwerk von Kaija Saariaho, dem Violinkonzert Nr. 1 von Serge Prokofiev mit dem Solisten Pekka Kuusisto und den Symphonien Nr. 6 und 7 von Jean Sibelius. Es war ein Konzert der Zwischenklänge, denn keines der Werke kann mit Virtuosität und einem alles überstrahlenden Finale glänzen.
Saariahos ‘Lumière et Pesanteur’ machte den Anfang und beeindruckte sogleich mit einer wunderbar individuellen Klangsprache, die an Reinheit und Transparenz nicht zu überbieten ist. Salonen, selbst gefeierter Komponist und Saariaho-Kenner ließ das Philharmonia Orchestra dann auch in den schönsten und feinsten Orchesterfarben strahlen.
Es folgte die 6. Symphonie von Jean Sibelius, ein pastorales Werk von großer Schönheit und einem lyrisch, melancholischen Grundcharakter. Auch hier zeichnete Salonen klare Linien, ließ das herrlich aufspielende Philharmonia Orchestra klanglich ungemein differenziert agieren, ohne dabei den musikalischen Fluss und den z.T. sehr üppigen Klang zu vernachlässigen.
Nach der Pause gab es dann Prokofievs 2. Violinkonzert, ein Werk mit ebenfalls lyrischem, zurückhaltenden Charakter und ohne virtuose Eskapaden. Pekka Kuusisto, bei uns leider wenig bekannt, ist ohne Zweifel einer der weltbesten Violinisten und intelligentesten Gestalter. Wie sehr und überlegt er an die Musik herangeht, davon zeugten sein Gefühl für die feinen Linien und seine schlichte und immer auf die Musik bezogene Interpretation dieses Konzerts. Kuusisto brachte es immer wieder fertig, dass die Musik sich auf eine sehr natürliche Weise quasi im Nichts auflöste und aufs dem Nichts plötzlich wieder an Struktur gewann. Obwohl das Konzert selbst kaum zu Beifallsstürme anregt, so wurde Kuusisto frenetisch gefeiert und bedanke sich mit einer traditionell finnischen Zugabe sowie einem Menuett von J.S. Bach. Struktur ist auch Salonens Thema, denn hier, wie auch bei den anderen Werken, achtete er auf ein strukturelles Gleichgewicht, auf das er als Dirigent dann jeweils sehr musikantische Interpretationen aufbauen konnte. Das schönste Beispiel dafür war dann auch die abschließende, quasi im leeren Raum endende 7. Symphonie von Jean Sibelius. Auch führte der finnische Dirigent das Werk mit Logik, Konsequenz und einem tiefen Verständnis für die Musik seines Landsmannes zu seinem enigmatischen Ende. Ein großartiges Klangerlebnis und der Beweis, dass intelligentes, architekturbetontes Dirigieren durchaus mit einer musikantischen, emotionalen Interpretation einhergehen kann. Als Abschluss dann, wie konnte es anders sein, ‘Vase triste’ von Sibelius.