Mit einer reinen Programmlänge von 80 Minuten Spieldauer präsentierte sich das Quatuor Arod in der Philharmonie, auch wenn im Moment die Konzerte ohne Pause gespielt werden. Für Pizzicato berichtet Uwe Krusch.
Mit zeitlich ausladenden Werken von Dvorak und Ravel sowie dem dritten von Bartok boten die vier Musiker wahrlich anspruchsvolle Kost. Arod, eines der Pferde aus Herr der Ringe, wird als leichtes und feuriges Pferd beschrieben, bedeutet doch sein Name ‘der Schnelle’. Dass es an diesem Abend nicht leicht, aber durchaus mit feurigem Temperament zuging, steht außer Zweifel.
Am Beginn stand das Streichquartett C-Dur op. 61 von Dvorak. Dessen satztechnische Finesse und sein rhythmischer Geist zeigen auf die Vorbilder Beethoven und Brahms. Gleichzeitig macht es damit einen Schritt weg von einem allzu volkstümlich wirkenden Habitus. Die vier Musiker des Quatuor Arod taten also gut daran, das Stück in struktureller und genauer Auseinandersetzung zu zeigen und nicht etwa nach Schmankerln zu suchen. Trotzdem kam bei mir noch keine rechte Freude auf. Die bei diesem Ensemble schon mal beschriebene Mayonnaise kam bei dieser Komposition für meine Ohren noch zu sehr zum Einsatz. Vieles wurde übermäßig gehaltvoll gespielt, wie bei einem Paukenschlegel, wenn der Filz des Kopfes aufgeht und der Klang fluffig und wolkig wird, so dass man den Kern nicht mehr hört. Da fehlte es dann mitunter an der klar hörbaren Struktur und Detailliertheit.
Da war die Interpretation des dritten Quartetts von Bartok dann schon von anderer Stringenz. Hier entfaltete das Quartett die Fülle der Nuancen, die man diesem Werk entlocken kann. Sowohl mit wohlklingender Streichkultur als bewusster dissonanter Betonung sowie der Beherrschung der reichhaltigen Spieltechniken zeigte das Ensemble, wie es seine Kräfte auch bündeln und beherrschen kann. In der konzentrierten Einsätzigkeit des Werkes fanden sich auch die vier Musiker ein und boten eine mehr als beachtliche Leistung. Dass sie bei ihrem letzten Besuch in Luxemburg noch als in der Serie von aufstrebenden Musikern zu hören waren, konnte man jetzt nicht mehr erkennen. Vielmehr haben sie ihr Spiel deutlich profiliert und noch einmal an Substanz gewonnen.
Mit dem Gattungsbeitrag von Ravel überwältigten sie dann die Zuhörerschaft. Mit ebenso viel Detailfreudigkeit wie gestalterischer Linie zauberten sie dann eine grandiose Version dieses Stücks auf die Bühne. Hier gelang es ihnen, diesen Ideenreichtum im vierstimmigen Kontrapunkt sowohl mit überquellender Energie als auch geordneter Vortragskultur so zu mischen, dass dem Zuhörer schlichtweg der Atem weg blieb, ganz ohne Viren. Gebannt verfolgte man jeden Ton, jede Geste, jede gestalterische Finesse des Werkes und ihre famose Umsetzung durch diese Interpreten. Gleichwohl konnte man sich als Zuhörer im Sessel zurücklehnen und den Fluss der Komposition einwirken lassen.
Hier zeigten die vier, was es bedeutet, Quartett zu spielen. Zugleich solistisches Spiel wie auch intensives Miteinander musizieren, genaues Hinhören, im Zusammenspiel fordern und gewähren und bei allem die reine Freude am Musizieren beizubehalten. Und das alles entfaltete sich vom Feinsten Pianissimohauch bis zum exaltierten, aber nicht zugebutterten Ausbruch.
So hatte der Abend eine Parabel zu bieten, nämlich in der steigenden Qualität des Diskurses im Streichquartett, nicht die steigender Infektionszahlen. Mit dem langsamen Satz aus dem Quartett von Debussy als Zugabe blieben sie dabei: bei der Epoche und bei ihrer letztlich fantastischen Interpretationskultur.