Unser Mitarbeiter Alain Steffen gibt zu, dass das Jerusalem Quartet eines seiner Lieblingsensembles ist. Demnach hoch waren auch die Erwartungen beim Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie angesetzt.
Typisch für das Jerusalem Quartet sind sein voller Sound und die sehr symphonisch und musikantisch ausgerichteten Interpretationen. Dass gerade dieser volle Klang, bei dem alle vier Instrumente gleichwertig zur Geltung kommen und somit eine maximale Vielschichtigkeit im Spiel erlauben, in den feinen, zarten oder sehr innerlichen Passagen absolut kein Nachteil ist, davon konnte man sich recht schnell überzeugen.
Bereits beim Streichquartett Nr. 4 von Felix Mendelssohn Bartholdy ging es sofort zur Sache. Dynamik und Spielfreude waren ab der ersten Note präsent. Das Stück erklang recht forsch, und alle vier Stimmen loteten die Musik bis ins kleinste Detail aus. Doch bei aller Klangopulenz, das märchenhafte und typische Mendelssohn-Scherzo entwickelte sich mit wunderbarer Leichtigkeit. Sehr schön ausphrasiert das Andante und das abschließende Presto agitato war ein Musterbeispiel dafür, wie klar und transparent selbst bei einem schnellen und virtuosen Satz die verschiedenen Linien doch dargestellt werden können.
Höchste Intensität und spätromantisches Flair prägten Anton Weberns Langsamen Satz für Streichquartett aus dem Jahre 1905, also einer Zeit, wo Weberns Musik noch tonal war und sich an den großen Klassikern orientierte. Auch hier begeisterte das Jerusalem Quartet mit üppigem Klang und einem transparenten, immer auf Nuancen ausgerichteten Spiels.
Das abschließende 1. Streichquartett von Piotr Tchaikovsky ist mit seinem Dur-Charakter ein mitreißendes Werk mit einem volkstümlichen Charakter. Nach dem sich furios steigernden Kopfsatz erklingt ein himmlisches Andante cantabile, das auf ein ukrainisches Volkslied zurückgeht und das wegen seiner Beliebtheit mehrfach für andere Instrumentenkonstellationen, u.a. von Tchaikovsky selbst, bearbeitet wurde. Ein effektvolles Scherzo und ein mitreißendes Finale tragen viel dazu bei, dass dieses Werk so beliebt ist und sich ideal für das Können eines Streichquartettensembles eignet. Das Jerusalem Quartet begegnete dem Stück mit viel Verve und Virtuosität, rasanten Läufen, markanten Akzenten und im Andante mit einem lyrischen, schwebenden Klang.
Es war dies also ein großartiger Musikabend, der mit einer wunderschönen Zugabe des ukrainischen Komponisten Myroslav Skoryk zu Ende ging.