Diana Damrau und Jonas Kaufmann waren mit Hugo Wolfs ‘Italienischem Liederbuch’ zu Gast in der Luxemburger Philharmonie. Alain Steffen berichtet.
Unter den großen klassischen Liederzyklen nimmt Hugo Wolfs ‘Italienisches Liederbuch’ sicherlich eine Sonderstellung ein, einerseits weil es sich mehr um Minidramen und -dialoge handelt, bei der die meisten Lieder knapp 2 Minuten betragen, und andererseits weil die Reihenfolge beliebig gewählt werden kann und die Dialoge somit in immer neue Zusammenhänge gerückt werden können. Auf so kleinem Raum darf man sich natürlich nicht die Aussagekraft von Liedern wie die von Schubert, Schumann, Brahms oder Mahler erwarten, dafür sind die Texte und die Worte zu leicht, was dem Zyklus dann wiederum eine gewisse Heiterkeit und Verspieltheit verleiht. Trotzdem, Wolfs ‘Italienisches Liederbuch’ gehört nicht zu den Publikumslieblingen, weil es ehrlich gesagt, enorm schwierig ist, das Publikum mit Wolfs Musik quasi 90 Minuten bei der Stange zu halten. Und seien wir ehrlich, hätte nicht Jonas Kaufmann hier mitgesungen, wären zwei Drittel des Publikums wohl gar nicht erst gekommen. Dass die nicht viel mit Wolf anfangen konnten, war nicht zu überhören. Es wurde gehustet, was das Zeug hielt, und natürlich immer gerade dann, wenn Jonas Kaufmann wunderbar zarte Lieder sang. Abgesehen von vielen respektlosen Zuhörern, war es ein rundum gelungener Liederabend mit hervorragenden Interpreten.
Diana Damrau und Jonas Kaufmann wussten wohl um die Schwächen der Wolf-Lieder und agierten den Text quasi auf der Bühne aus. Eine gute Lösung, wenn die Texte auch nicht viele Variationsmöglichkeiten zuließen und das Gespielte somit oft über alberne Nettigkeit nicht hinauskam.
Das Beste am Italienischen Liederbuch ist für mich der Klavierpart. Hört man genau hin, und das sollte man unbedingt, so erlebt man einen wahnsinnig talentierten und zukunftsorientierten Komponisten, der z.T. bereits impressionistische Klänge à la Debussy und Ravel vorwegnimmt. Helmut Deutsch, der begnadete Liedbegleiter und Dritte im Bunde, spielte wundervoll, und es war ein Genuss, seinem Spiel zuzuhören und vor allem der Art und Weise, wie er es verstand, Farben und Atmosphären, Emotionen und Expressivität auf subtilste Weise auszudrücken.
Diana Damrau begeisterte natürlich mit ihrer Persönlichkeit und ihrer lebendigen Art, diese Lieder zu gestalten. Die Stimme ist etwas schwerer geworden, besitzt aber noch immer die strahlende Höhe und Intonationssicherheit, die man von ihr gewohnt ist. Damraus leuchtendes Timbre passt hervorragend zu diesen Liedern, so dass man sie getrost als eine ideale Interpretin ansehen darf.
Bedingt durch die legendären Aufnahmen mit Dietrich Fischer-Dieskau wird oft vergessen, dass Wolf die Lieder für zwei hohe Stimmen komponiert hat, also für Sopran und Tenor. Jonas Kaufmanns baritonal gefärbte Tenorstimme besitzt eine sichere und strahlende Höhe, sein Gesang ist enorm warm und an der Phrasierungskunst dieses Sängers können sich andere ein Beispiel nehmen.
Sympathisch waren auch die Natürlichkeit, mit der Kaufmann und Damrau auftraten. Da gab es kein Stargehabe, keinen aufgesetzten Effekt. Alles klang sehr spontan und bestens eingespielt. Und auch hier soll noch einmal auf den phantastischen Pianisten Helmut Deutsch hingewiesen werden, der bei solch namhaften Stars gerne vergessen wird. Jubel gab es zum Schluss. Vielleicht hat dieser starbesetzte Liederabend ja dazu beigetragen, einem Teil des Publikums – es gab ja auch sehr viele, die nicht husteten – Lust auf die Königsklasse Lied zu machen.