Das erste Saisonkonzert in der Reihe Voyage dans le temps in der Philharmonie Luxemburg bot fünf Werke plus Zugabe von Vivaldi sowie ein Concerto grosso von Francesco Geminiani. Die Musiker des Venice Baroque Orchestra hatten zusammen mit ihrem Solisten Avi Avital außerdem das Mandolinenkonzert Es-Dur von Giovanni Paisiello im Gepäck. Welche Impressionen sie hinterließen, berichte Uwe Krusch für Pizzicato.
Das Orchester, mit zehn Musikern besetzt, spielte im Stehen und verwirklicht so ein flexibles und bewegliches Klangideal, das ohne Dirigenten auskommt. In den beiden dem Orchester vorbehaltenen Stücken, dem Concerto grosso La Follia von Geminiani und der Sinfonia in G-Dur von Vivaldi zeigten das Ensemble mit fein austariertem Ton, dass sich auch im weiten Umfeld des großen Saals ohne Mühe entfalten konnte. Von vollem Klang bis zu zerbrechlich feinem Flüstern reicht ihre trotz der begrenzten Zahl der Musiker weite Palette. Trotz ihrer Spezialisierung auf das barocke Zeitalter konnten sie dem Mandolinenkonzert von Paisiello die anders geartete Klangwelt mit passendem Leben füllen. Nicht nur, dass Paisiello geboren wurde, als Vivaldi starb, also einer neuen musikalischen Phase zuzurechnen ist, er stammt auch aus Neapel, anders als die Venezianer Geminiani und Vivaldi. Und mit Neapel sind die Opernwelt und von intensivsten, vielleicht auch theatralischen Gefühlen geprägte Musik verbunden.
Beherrscht wurde der Abend jedoch vom Locken schwingenden Avi Avital, der der Mandoline eine bedeutende Rolle im Konzertleben eingehaucht hat. Auch wenn er es versteht, sich selbst publikumswirksam in Szene zu setzen, so darf man sagen, dass er sein Instrument ebenso mit großem Gestaltungsvermögen zur Geltung bringt.
Wenn er die beiden original für sein Instrument geschriebenen Werke, den Paisiello und das Konzert von Vivaldi in C-Dur, spielt, dann wird die Eigenart des Instruments in vollem Glanze deutlich. Die Mandoline hat mit kleinem Corpus und mit Plektron gespielt kaum Nachhall, so dass lange Haltetöne nicht möglich sind. Spezielle Kompositionen nutzen diese Eigenart durch angepasste Vorgaben. Daneben spielte Avital auch Stücke von Vivaldi, die eigentlich für die Solovioline geschrieben wurden. Im Barock herrscht immer eine gewisse Freiheit bei der Besetzung. Es war schon zu Entstehungszeiten üblich, Stücke der jeweiligen Situation vor Ort anzupassen. Und bei der Mandoline spricht auch dafür, sie die Geige ersetzen zu lassen, dass beide Instrumente in Quinten gestimmt sind.
Aber es ist dann schon überraschend, gerade so bekannte Kompositionen wie den Sommer aus den Jahreszeiten oder eines aus dem Zyklus L’Estro Armonico statt mit Violine mit diesem Zupfinstrument gespielt wird. Einerseits ergeben sich dadurch neue Hörwelten. Wenn statt Haltetönen Tremoli mit dem Plektron zwischen den doppelchörig gespannten Saiten gespielt werden, so erzeugt das einen fast volkstümlichen Charakter, der gegenüber dem Original eine leichtere Textur vermittelt. Ob man das mag, mag jeder für sich selber beurteilen. Auch bei der ruhigen Zugabe mit dem Largo aus einem Piccoloflötenkonzert, um die Gemüter zu beruhigen, kam wiederum auch das Tremolo zur Geltung.
Die exzellent aufmerksame und selbstbewusste Begleitung, die nicht zudeckt, aber sich auch nicht versteckt, ermöglicht dem Solisten die volle Entfaltung und dem Publikum einen Abend zum Schwelgen in, ach so bekannten und doch auch plötzlich ganz neu klingenden Weisen. Das war ein aufmerksamkeitswirksamer Einstieg in die Reihe Voyage dans le temps und damit gleich ein Höhepunkt.