Im zweiten Konzert, bei dem Krystian Zimerman zu Gast beim Philharmonischen Luxemburg (OPL) war, spielte er Beethoven’s Drittes Klavierkonzert in c-Moll. Uwe Krusch war für Pizzicato dabei.
Die Beteiligten knüpften da an, wo sie beim ersten Zusammentreffen aufgehört hatten. Insgesamt schien das gegenseitige Verständnis für den Spielstil gewachsen zu sein. Wiederum forderte Zimerman mit seiner spontanen intuitiven Behandlung der Tastatur die volle Aufmerksamkeit von Dirigent und Orchester, und es gab Momente, da musste das Ensemble sehen, wie es mit dem kurzfristig anziehenden Tempo des Solisten mitkam, wie im dritten Satz. Aber als Gesamteindruck verfestigte sich der Eindruck ein dichteres Miteinander, das von gegenseitigem Geben und Nehmen in musikalischen Fragen geprägt wurde. Zimerman entwickelte wieder sein ungemein aus dem Augenblick heraus wirkendes Spiel. Binnenmomente gestaltet er sehr frei, so dass es in keinem Moment den Anschein hat, ein mechanisch wirkendes Abspulen zu hören. Vielmehr wurde seine Interpretation zum Erlebnis, die auf das Opera-buffa-Finale des Konzertes, das mit Witz und Humor angereichert ist, hinauslief. Hier spürte man förmlich den Schalk im Nacken, bei Beethoven und auch bei Zimerman. Und Gimeno und das OPL ließen sich auf dieses Spiel am Ende bereitwillig ein.
Man mag das durchaus als Vorteil dieser COVID-19-geschuldeten Programmgestaltungen hören, dass es wegen der auf gut eine Stunde gekürzten Programme eine Besinnung und Fokussierung auf wenige Werke gibt. Und noch ein Positivum mag man darin erblicken, dass jetzt anderes Repertoire ins Blickfeld rückt, dass wegen der Abstandsregeln auch auf der Bühne sonst wegen der begrenzten Besetzung von einem Symphonieorchester selten oder gar nicht gespielt würde.
Dieses Solokonzert stand am Ende des Konzertes und damit auch der Anteil der ersten Wiener Schule. Die zweite Wiener Schule war an diesem Abend zu Beginn zu hören. Und sie war, alphabetisch absteigend, nach Webern und vor Berg, mit Arnold Schönberg in diesem Konzert zeitlich ebenbürtig beteiligt. Das Streichsextett Verklärte Nacht auf ein Gedicht von Richard Dehmel boten die Streicher in der von Schönberg selbst geschaffenen Fassung für Streichorchester. Wenn dieses Werk auch nur eine emotional geprägte Anbindung an das Gedicht und keine programmatische Wiedergabe ist, so führte es von Anfang zu Verstörung beim Publikum. Ist auch der Tonfall noch sinnlich spätromantisch, so zeigt er doch ein in der Zeit der Entstehung als unkonventionell empfundenes Gefühl. Das können wir heute nur begrenzt nachvollziehen, aber die sich neu entwickelnde Tonsprache nehmen wir auch noch wahr. Dieses organisch in kurzer Zeit als Einheit geschaffene Werk fordert von den Instrumentalisten eine große Breite an Ausdrucksgestaltungen. Schon der verhaltene Beginn in den tiefen Stimmen setzt eine Marke, sofort in die Welt des emotional befrachteten nächtlichen Spaziergangs einzutauchen und nimmt das Geständnis vorweg, bevor die Befreiung kommen kann.
Hier wird aber auch deutlich, dass die COVID-Regeln auch ihre Nachteile haben. Denn in der Nähe einer Instrumentengruppe zerfällt diese in einzelne Spieler, was bei einem engeren Sitzabstand nicht hörbar ist. Und damit ist nicht gemeint, dass das Zusammenspiel nicht gelingt. Vielmehr wird die Individualität jedes Spielers deutlich, die sonst eher optisch wahrnehmbar ist, weil etwa eine Stelle an verschiedenen Abschnitten oder mit abweichender Technik des Bogens gespielt wird. Bei den weiter entfernt sitzenden Zuhörern ist dieses Phänomen nicht zu hören. Und noch eine Besonderheit konnte man gut sehen. Wenn man ein Streichinstrument lernt, werden einige wesentliche Haltungsmerkmale vermittelt, egal, welcher Schule man folgt. Dazu gehört der gebogene kleine Finger an der Bogenhand, der wesentlich zur Führung beiträgt. Wenn man es dann ins Orchester oder als Solist geschafft hat, kann man natürlich tun und lassen was man will, solange es trotzdem klingt. Aber einem Betrachter fällt trotzdem auf, wenn in der ersten Reihe einer Mittelstimme der kleine Finger vornehm snobistisch abgespreizt wird wie beim Teetrinken eines Earls auf seinem englischen Landsitz.
Abgesehen von diesen kleinen Auffälligkeiten gelang dem OPL dank des Dirigats von Gimeno eine die Einheit des Werkes aufzeigende gelungene Deutung. Neben solistischen Passagen, die von den Stimmführern makellos realisiert wurden, und geteilten Stimmen wurde auch die ganze Stärke und Ausdrucksfähigkeit des gesamten Streicherapparates gefordert und auch geboten. Auf der bis in den hintersten Winkel besetzten Bühne konnten die Streicher des OPL in gepflegter Art und Weise sich einmal auf sich selbst besinnen.
Beide Stücke des Abends wurden zu Recht mit intensivem Applaus bedacht, so dass die Zuhörerschaft sich noch auf den dritten Teil freuen darf.