Wie schon bei ihrem letzten Konzert mit der Pepino Caliente Band zu merken war, scheinen die Zeichen bei den Solistes Européens Luxembourg auf Veränderungen hinzudeuten. Die neue Leitung scheint das klassische Konzertprogramm aufsprengen zu wollen und dabei neue, ungewöhnliche Ideen einfließen zu lassen. So wie beim letzten Konzert am vergangenen Montag, das unser Mitarbeiter Alain Steffen besuchte und das unter dem Titel ‘Hommage à la danse’ stattfand.
Musik und Tanz sind seit jeher eng miteinander verbunden und so scheint das Experiment, klassische Werke tanzen zu lassen, gar nicht einmal so abwegig. Zusammen mit den Tänzerinnen des Conservatoire du Luxembourg hatte Sylvia Camarda zwei Choreographien erarbeitet. Eine für Bachs Suite Nr. 2 BWV 1067 und eine für das Auftragswerk des Kulturministeriums, Imbalance, des jungen Komponisten und Oboisten Felix Turrion Eichler.
Die Choreographie zu Eichlers Werk war insgesamt schlüssiger, besser und ausgewogener war als die etwas langweiligen und zudem oft nervigen Tanzeinfälle bei der Bach-Suite. Zwar übertrug Camarda die Vielstimmigkeit von Bachs Musik sehr gut auf das Tanz-Ensemble, allerdings fand die Choreographie für mein Gefühl keinen rechten Zugang zu der Musik selbst. Vielleicht wäre es an dieser Stelle und bei solch neuen Experimenten von Wichtigkeit, dem Publikum kurz zu erläutern, was eine solche Choreographie bedeuten soll. Ist es nur eine Abfolge von Schritten und Figuren oder soll eine Geschichte erzählt werden? Bei Bach blieb das nervöse Herumgezappele und das sich ewig wiederholende An- und Ausziehen schwarzen Jacken nicht nachvollziehbar. Wohlgemerkt, dies bezieht nicht auf die Leistung der 8 Tänzerinnen und des Tänzers, die als Ensemble und als Einzeltänzer wirklich großen Respekt verdienten.
Die Choreographie bei Eichlers Imbalance blieb viel näher an der Musik und erweiterte sie. Überhaupt war Eichlers Werk der Höhepunkt des Abends. Der junge Komponist schreibt eine allgemein verständliche und in keinem Moment langweilige Musik. Sie jetzt als wirklich zeitgenössische oder moderne Musik zu bezeichnen, wäre allerdings auch falsch. Vielmehr orientiert sich Eichlers Musiksprache in Richtung Filmmusik und da begeistert er mit sehr schönen Einfällen und einer Expressivität, die sich zwar oft alten Bekannten bedient, aber niemals plakativ oder uninspiriert wirkt. Hier drückt ein bisschen Stravinsky durch, dort Debussy und Ravel, mal wird man an Zeichentrickfilm-Musik erinnert, mal an stimmungsvolle Naturbilder. All dies greift ineinander über, so dass der Hörer sich mit einer sich permanent wechselnden Musiksprache konfrontiert sieht, die architektonisch schlüssig und emotional sehr kongruent wirkt. Imbalance ist ein überzeugendes Werk eines jungen aufstrebenden Komponisten, den man unbedingt im Auge behalten muss.
Leider beschränkte sich die Leistung des Orchesters bei Bachs 2. Suite nur auf reine Begleitung. Und das mit einem in den ersten drei Sätzen unpräzisem und unsicherem Spiel. Aber auch darüber hinaus blieb die Interpretation unausgereift, langweilig und irgendwie aus dem Kontext gefallen. Erst mit Eichlers Komposition gewann das Spiel der SEL unter Christoph König an Relief, Ausdruck und filigraner Präzision.
Leider ist Sibelius selten gespieltes Werk Rakastava nicht gerade ein Aufwärmer. So fein und schön die Interpretation der SEL auch war, das Stück blieb eher langweilig. Wenig Akzente setzte das Orchester ebenfalls in Haydns Abschiedssymphonie Nr. 45, die sicherlich keine von Haydns besten Symphonien ist. Jedenfalls konnte die recht klassische Wiedergabe, die korrekt, schön und ausgewogen gespielt wurde, dem Werk keinen wirklichen Atem einhauchen. So bleibt es am Ende bei einem ordentlich gespielten Konzertabend, bei dem eine neue, gute und hochinteressante Idee nicht über eine gewisse Langeweile hinwegtäuschen konnte.