Saò Soulez Larivière
(c) Clara Evens

In der Reihe, in der die Luxemburger Philharmonie junge, aufstrebende Musiker präsentiert, war gestern der Bratschist Sào Soulez-Larivière zu Gast, den die ICMA (International Classical Music Awards) im Jahre 2023 als Young Artist of the Year ausgezeichnet hatten. Begleitet wurde er am Klavier von der ungarisch-amerikanischen Pianistin Julia Hamos. Remy Franck berichtet.

Sào Soulez-Larivière begann solo, mit Hauch II der britischen Komponistin Rebecca Saunders, das 2021 beim Now! Festival in Essen als Tanzstück in der Choreographie von Rafaële Giovanola uraufgeführt wurde. Das wie gehaucht wirkende Werk erfordert vom Solisten eine perfekte Beherrschung des Instruments, um daraus die feinsten Klänge zu entlocken. Das gelang Sào Soulez-Larivière sehr gut, und irgendwie fühlte sich der Zuhörer in die geheimnisvolle Klangwelt eines durch ein Ghost Town streifenden Windes versetzt.

Die amerikanische Komponistin Julia Wolfe, die sich gerne mit industriellen Themen und der Welt amerikanischer Arbeiter befasst – sie schrieb bereits ein Werk über die Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie – hat für die Tournee von Sào Soulez-Larivière das Stück Cloth für Viola und Tonaufnahme komponiert. Der junge Solist nannte es in seiner sympathischen Einführung eine Symphonie für Viola, was angesichts der aus den Lautsprechern kommenden Violaklängen nicht falsch war. Die Komposition besteht aus einem hektisch-energetischen ersten Teil (Akkordarbeiterinnen?), einer ruhigen (Arbeits-) Pause und einem wiederum lebhafteren Teil, der auch eine Art Afterwork sein könnte. Das Darstellen dieser Abläufe lang dem Solisten in einer spannenden Interpretation, die – für ein zeitgenössisches Werk – vom Publikum im quasi ausverkauften Kammermusiksaal der Philharmonie überaus positiv aufgenommen wurde.

Sào Soulez-Larivière & Julia Hamos
(c) Philharmonie / Sébastien Grébille

Der erste Teil des Konzerts wurde mit den Märchenbildern von Robert Schumann beschlossen, einer Komposition, für die dann auch Julia Hamos auf die Bühne kam. Dieses Werk, in dem Schumann sich von seinem Schwung mitreißen lässt und Melodien und dramatische Effekte mit einer nie versagenden Vorstellungskraft entrollt, besteht aus vier lyrischen Charakterstücken, und selbst wenn die beiden mittleren durchaus zupackend gespielt wurden, faszinierte Soulez-Larivière vor allem mit einem tief empfundenen, bewegenden Mezza Voce-Gesang im langsamen letzten Satz, immer bestens unterstützt von der Pianistin, die durch ihr Spiel zum Fantastischen der Musik Wesentliches beitrug.

Nach der Pause ging es weiter mit der Elegie für Solobratsche von Igor Stravinsky, in der Soulez-Larivière einen substantiellen, fein ausgewogenen und durch die vielen Doppelgriffe quasi dualen Trauergesang produzierte. Er ließ das Stück ohne Pause in Dmitri Shostakovichs Bratschensonate op. 147 übergehen. Entstanden in den Monaten vor seinem Tod, trägt es die Züge einer Endzeit, und das wurde in dieser Interpretation sehr deutlich.

Im elegisch-spanungsvollen ersten Satz sorgten heftige Eruptionen für starke Kontraste zwischen Ermattung und Aufbäumen, so den Zustand des an terminalem Lungenkrebs leidenden Komponisten gut darstellend.

Das Scherzo, in dem Shostakovich das Lied der Gavrjushka aus seiner unvollendeten Oper ‘Der Spieler’ benutzte, wurde in der dramatischen Interpretation von Sào Soulez-Larivière und Julia Hamos zu einem unerbittlichen Todestanz.

Der letzte Satz, den der Komponist am 5. Juli 1975 beendete, just ehe ein erneuter Erstickungsanfall ihn in das Krankenhaus führte, ist ein ausgedehntes, tief trauriges Adagio, das Shostakovich zur Erinnerung an Beethoven schrieb und das sich auf das Hauptthema des ersten Satzes von dessen Mondscheinsonate stützt. Es erklang in diesem Konzert als ein Handreichen Shostakovichs zu Beethoven hinüber ins Reich der Toten. Dabei wurde die Musik manchmal so bleich, dass dem Zuhörer der Atem stockte.

Soulez-Larivière und Hamos ergänzten sich perfekt und konnten in dieser Gemeinsamkeit die Musik tief ausloten. Lautstarker Beifall belohnte die beiden für ihre kongeniale Interpretation.

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