Es ist immer wieder schön, wenn man in einem Konzert sowohl Lieblingswerken wie auch Lieblingskünstlern begegnen kann. Unser Mitarbeiter Alain Steffen berichtet von einem Konzert, das keine Wünsche offenließ.
Ivan Fischer gehört als Erster Gastdirigent des Royal Concertgebouw Orchestra zu den beliebtesten Künstlern des Amsterdamer Orchesters und ist immer Garant für musikalische Höhenflüge und außergewöhnliche Interpretationen. Zusammen mit der mittlerweile 80-jährigen Pianistin Maria Joao Pires interpretierte er das 9. Klavierkonzert KV 271, Jenamy, von Wolfgang Amadeus Mozart und zeigte, wie wunderbar Solist und Orchester harmonieren können. Pires ist immer noch eine großartige Gestalterin, und das eigentlich sehr moderne, vielschichtige und außergewöhnliche Jenamy-Klavierkonzert liegt ihr sehr gut. Vor allem ist es ein Konzert, das Introspektion, Kommunikation und ein sehr gutes Timing erfordert. Mozart geht hier neue Wege, schafft neue musikalische Welten, die sich von dem rein unterhaltenden Charakter seiner früheren Klavierkonzerte deutlich unterscheiden.
Pires’ Spiel war demnach sehr intimistisch, nachdenklich und trotz aller Ernsthaftigkeit wunderschön in der Ausführung. Besonders im Zusammenspiel mit dem Orchester gelangen ihr großartige Momente. Ivan Fischer fand genau den richtigen Ton und die optimale Balance, um die Solistin auf Händen zu tragen. Das zum Teil sanfte und zum Teil akzentuierte Orchesterspiel unterstrich die neuen Ideen und die oft kühne Entwicklung innerhalb Mozarts Klavierkonzert.
Davor erklang die Marsyas-Konzertsuite des niederländischen Komponisten Alphons Diepenbrock (1862-1921). 1910 komponiert vermischt diese Suite sowohl postromantische Einflüsse wie auch impressionistische Klangfarben. Verglichen mit Mozarts Kunst und der virtuosen 8. Symphonie von Antonin Dvorak wirkt Diepenbrocks Musik allerdings wenig interessant.
Fischer ist ein Dirigent mit Röntgenblick. Und das macht seine große Kunst aus. Er sieht in jeder Partitur die er dirigiert, Klänge, Melodien, Stimmen, Interaktionen, Tempoverschiebungen, die man sonst eigentlich nicht bemerkt. Gerade bei einem oft gespielten und gehörten Werk wir der optimistisch leichten 8. Symphonie von Anton Dvorak mit ihrem einnehmenden volkstümlichen Charakter ist dies ein Gewinn. Wie Fischer die einzelnen Instrumentengruppen behandelte, sie hervorhob und ineinander einfließen ließ, war große Kunst. Immer wieder ging Fischer von den Holzbläsern aus und unterstrich ihre Wichtigkeit in der Entwicklung dieser Musik. Das Blech wurde stark gezügelt, klang leicht und tänzerisch, so wie eigentlich der ganze Orchesterapparat. Wunderbar waren die Einlagen des Solo-Flötisten. Das Royal Concertgebouw Orchestra genoss es hörbar, unter Ivan Fischers ebenso klugem wie mitreißendem Dirigat zu spielen.