Die Pandemie oder vielleicht schon Endemie kann konzentrierte Hörerlebnisse im Konzert nicht verhindern. Wie jetzt bei der h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach, die mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble unter der Leitung von Thomas Hengelbrock in der Luxemburger Philharmonie zu erleben war. Ohne Pause und auch ohne unterbrechenden Applaus wurde das Werk dargeboten, weiß Uwe Krusch für Pizzicato zu berichten.
Hengelbrock, hatte im Künstlergespräch vorab deutlich gemacht, dass dieses Werk ihn schon lange umtreibt. Als Kind im Chor, als Jugendlicher auf der Position des Konzertmeisters und vor einem Vierteljahrhundert mit einer Einspielung mit dem gleichen Ensemble steht etwa alle fünf Jahre wieder für ihn die Auseinandersetzung mit der h-Moll Messe an. So war auch dieses Konzert nur eine Momentaufnahme. Aber auch eine, die die Früchte dieser wiederholten Beschäftigung zeigte und zu brausendem Schlussapplaus, leider schon hinein in den ausklingenden Schlussakkord, führte.
Mit einem rund 30-köpfigen Chor und einem Instrumentalensemble in Kammerorchestergröße ließ er dieses Werk erklingen. Dabei konnte er sich auf die solistischen Singstimmen aus dem Chor verlassen. Altus William Shelton konnte den größten Applaus auf sich ziehen, was mit seinem großen Anteil, aber auch mit der herausragenden künstlerischen Gestaltung seiner Partie zu tun hatte. Doch ist auch hier wieder einmal das Einzellob der Feind aller anderen, obwohl diese alle auch exzellente Leistungen bei der Interpretation ihrer Soli zeigen konnten.
Der Chor überzeugte auch als Ensemble, dann mit den eingereihten Solisten des Abends, bei seinen Auftritten. Diese Gemeinschaft aus Solisten, die sich im
Projekt zum Chor vereint, bot eine faszinierende Präsenz im Konzert. Gestalterische Ausformung paarte sich mit rhythmischer Sicherheit zu einem in allen Punkten gelungenen Beitrag zum Gesamtgeschehen.
Auch das Orchester reihte sich in diese Qualität ein. Immer aufs Feinste den Vorgaben von Hengelbrock folgend, konnten die Musiker die Subtilitäten im Dirigat hörbar machen. Der Dirigent verfolgte eine verinnerlichte Konzeption der Interpretation, die eher die Details auslotet und bewusst auf äußerst leise ausgekostete Momente setzte. War noch vor Jahren die, auch in der Chorbesetzung, großangelegte Deutung die Regel, so setzt sich immer mehr eine kammermusikalische Sicht durch. Mag man in der gehörten Besetzung einen Mischweg sehen, so gelang doch dank des feinfühligen Spiels der Musiker eine durchhörbare Sicht. So wurden etwa die Trompeten und die Pauken nicht zur brillierenden Politur animiert, sondern fügen sich ins Ensemble ein und gaben eine weitere Klangfarbe, aber übertönten nicht. Diverse Soli auch beim Orchester zeigten, dass auch dessen Mitglieder auf höchstem Niveau agierten. Kleineres Stolpern des Solohornisten Ulrich Hübner auf dem ventillosen Instrument fielen da ebenso wenig ins Gewicht wie die hörbaren Anforderungen an den Konzertmeister Daniel Sepec in seinem großen Ariensolo, das die Violinkonzerte aus der Feder Bachs als leichte Übungen erscheinen lässt.
Hengelbrock selber kam ohne Partitur für das knapp zweistündige Werk aus, das oft als eine der größten Kompositionen überhaupt gesehen wird. Immer die Chorpartien lippenhaft andeutend, konnte er seine ganze Aufmerksamkeit und Kenntnis des Werkes dazu nutzen, mit feinen Bewegungen das Erprobte im Konzert zu beleben. Mitunter zitternde Finger sind bei ihm gezielte Andeutungen zur Reduzierung der Lautstärke und nicht wie bei Gergiev ein nervöser Zustand.
Der äußerst positive Gesamteindruck einer durchdachten Gesamtanlage der Interpretation und einer durchgehend stabilen Interpretation auf höchstem Niveau zeigte einmal mehr die Qualität dieser Ensembles und ihres Dirigenten.