Gustav Mahlers 7. Symphonie wird gerne als sperrig und komplex angesehen; sie ermöglicht keinen so leichten Zugang wie die anderen Symphonien. Das muss aber nicht so sein, meint unser Mitarbeiter Alain Steffen, denn Semyon Bychkov zeigte in seiner ungemein fein ausgearbeiteten und sehr dreidimensional angelegten Interpretation dieses Werkes, wie leicht man doch in dieses vermeintlich schwierige Stück eindringen kann, hat man erst den richtigen Schlüssel dafür gefunden.
Bychkov setzte nicht auf einen Unisono-Klang, sondern ging äußerst differenziert zur Sache; jede Instrumentengruppe hatte ihre Rolle zu spielen, jedes Soli wurde sorgfältig herausgearbeitet und als individuelle Stimme in einem musikalisch Ganzen behandelt. Gleiches tat Bychkov mit den Themenkomplexen, wobei er besonderen Wert auf die tänzerischen Elemente legte. Trauermarch, Walzer, Ländler, sie alle kamen zu ihrem Recht. Der erste Satz wirkte dann auch gewollt sarkastisch, der Block mit den beiden Nachtmusikern und dem Scherzo schattenhaft und mysteriös, das Finale, nicht grobschlächtig, sondern mit Augenzwinkern, vielen Effekten und einem unaufhaltsamen Jubel ausgestattet. So humoristisch und gutgelaunt, so verschwenderisch mit musikalischen Ideen wie hier hat man Mahler selten erlebt. In der Tat geht es im Finale zu wie auf einem Jahrmarkt.
Dank des sehr räumlichen Klanges hat man tatsächlich den Eindruck, sich mitten im Jahrmarktsgetümmel zu befinden. Davor zeigte Bychkov die mysteriösen Seiten Mahlers, groteske Bilder, eingebettet in volkstümliche Melodienstränge, düstere Visionen, Angstzustände, aber auch romantische Stimmungen und friedvolle Harmonie. Im Laufe der 80 Minuten Dauer fügten sich dann all diese Puzzleteile wie von selbst zusammen.
Darüber hinaus war diese Aufführung ein eindeutiger Beweis dafür, dass Mahlers Musik nur mit einem erstklassigen Orchester hundertprozentig beizukommen ist. Und natürlich einem hochkarätigen Dirigenten. Unter Semyon Bychkov erlebte man eine atemberaubende Tschechische Philharmonie, absolut präzise, klangschön und dynamisch abgestuft. Der warme Klang der Streicher, die atemberaubende Qualität der Holzbläser und das phänomenale Blech prädestinieren die Tschechische Philharmonie für dieses Repertoire und der wunderbar musikantische Charakter des Orchesters, bei dem immer die große Tradition durchscheint, machen es zu einem Mahler-Orchester par excellence, wie eben das Concertgebouw Orchestra oder die Wiener Philharmoniker. Auf jeden Fall erlebte das Publikum an diesem Abend eine der besten und intensivsten Mahler-Interpretationen, die wir bis dato hier in der Philharmonie gehört haben.